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Gedicht über Nachtwirkungen
Noch nicht Tag! Die fratzenhafte Nacht
hat mich Stück für Stück entzweigerissen.
Wehe Striemen drücken mir die Kissen,
jede Falte hat mich wund gemacht.
Und der Träume quälerische Schwere:
Wollust, Ekel, Schmerzen, Tränen, Mord,
treibt mein Herz auf einem dunklen Meere
wie ein purpurrotes Segel fort.
Bin ein zitternd Geflecht von Nerven,
allem Bösen in die Hand gegeben,
Und die Schatten sind wie Messerschärfen,
die von meinem Zucken trunken leben.
Und ich möchte in das Dunkel schrein.
Aber meine Stimme ist nicht mehr.
Wilder Bilder ewige Wiederkehr,
stumm, gestaltlos, haltlos muss ich sein!
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Gedicht über Nachtwirkungen
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Morfin
Wir warten auf ein letztes Abenteuer
Was kümmert uns der Sonnenschein?
Hochaufgetürmte Tage stürzen ein
Unruhige Nächte – Gebet im Fegefeuer.
Wir lesen auch nicht mehr die Tagespost
Nur manchmal lächeln wir still in die Kissen,
Weil wir alles wissen, und gerissen
Fliegen wir hin und her im Fieberfrost.
Mögen Menschen eilen und streben
Heut fällt der Regen noch trüber
Wir treiben haltlos durchs Leben
Und schlafen, verwirrt, hinüber…
Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Morfin
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Im Krankenhause
Alle Herbste gehn an mir vorüber.
Krank lieg ich im weißen Zimmer,
Tanzen möchte ich wohl lieber.
An die Geigen denk ich immer.
Und es flimmern tausend Lichter.
O, wie bin ich heute schön!
Bunt geschminkte Angesichter
Schnell im Tanz vorüberwehn.
O, die vielen welken Rosen,
Die ich nachts nach Haus getragen,
Die zerdrückt vom vielen Kosen
Morgens auf dem Tische lagen.
An die Mädchen denk ich wieder,
Die wie ich die Liebe machen.
Wenn wir sangen Heimatlieder,
Unter Weinen, unter Lachen.
Und jetzt lieg ich ganz verlassen
In dem stillen weißen Raum.
O, ihr Schwestern von den Gassen,
Kommt zu mir des Nachts im Traum!
Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Im Krankenhause
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Der Dichter
Es neigte sich die Schar der jungen Knechte
Dem wirren Haar und dem zerschlißnen Rock.
Die Straße weiter taperte die Rechte,
Die Linke hielt sich krampfig fest am Stock.
Scham schlug ihm rot empor: er war betrunken
Und rang mit seinem Weg; und jäh erblaßt
War er im Rinnstein stolpernd hingesunken
Und raffte sich empor in wirrer Hast.
Da kam’s, daß er den Blick nach innen schlug,
Wo er, buntwechselnd wie Geleucht der Meere,
Wuchernder Blumen Fülle in sich trug.
Und atemraubend gab der süße, schwere
Duft seinem Sinn, der wie ein großer Falter
In ihre tiefen Rätselkelche sank,
Seltsamen Traum und schuf ihn zum Gestalter,
Der Lust und Qual in seine Lieder zwang.
So ging er, in sein Fühlen tief versunken,
Betäubt von Fiebern, Künder schwüler Nächte.
Man wich ihm schonend aus: er war betrunken.
Es neigte sich die Schar der jungen Knechte.
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Der Dichter
Aus: Versensporn
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Tänzerin
Dir ist als ob ich schon gezeichnet wäre
Und auf der Totenliste stünde.
Es hält mich ab von mancher Sünde.
Wie langsam ich am Leben zehre.
Und ängstlich sind oft meine Schritte,
Mein Herz hat einen kranken Schlag
Und schwächer wird’s mit jedem Tag.
Ein Todesengel steht in meines Zimmers Mitte.
Doch tanz ich bis zur Atemnot.
Bald werde ich im Grabe liegen
Und niemand wird sich an mich schmiegen.
Ach, küssen will ich bis zum Tod.
Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Tänzerin
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Abendländisches Lied
O der Seele nächtlicher Flügelschlag:
Hirten gingen wir einst an dämmernden Wäldern hin
Und es folgte das rote Wild, die grüne Blume und der lallende Quell
Demutsvoll. O, der uralte Ton des Heimchens,
Blut blühend am Opferstein
Und der Schrei des einsamen Vogels über der grünen Stille des Teichs.
O, ihr Kreuzzüge und glühenden Martern
Des Fleisches, Fallen purpurner Früchte
Im Abendgarten, wo vor Zeiten die frommen Jünger gegangen,
Kriegsleute nun, erwachend aus Wunden und Sternenträumen.
O, das sanfte Zyanenbündel der Nacht.
O, ihr Zeiten der Stille und goldener Herbste,
Da wir friedliche Mönche die purpurne Traube gekeltert;
Und rings erglänzten Hügel und Wald.
O, ihr Jagden und Schlösser; Ruh des Abends,
Da in seiner Kammer der Mensch Gerechtes sann,
In stummem Gebet um Gottes lebendiges Haupt rang.
O, die bittere Stunde des Untergangs,
Da wir ein steinernes Antlitz in schwarzen Wassern beschaun.
Aber strahlend heben die silbernen Lider die Liebenden:
Ein Geschlecht. Weihrauch strömt von rosigen Kissen
Und der süße Gesang der Auferstandenen.
Georg Trakl
(1887 – 1914)
Abendländisches Lied
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Nach dem Cabaret
Ich gehe morgens früh nach Haus.
Die Uhr schlägt fünf, es wird schon hell,
Doch brennt das Licht noch im Hotel.
Das Cabaret ist endlich aus.
In einer Ecke Kinder kauern,
Zum Markte fahren schon die Bauern,
Zur Kirche geht man still und alt.
Vom Turme läuten ernst die Glocken,
Und eine Dirne mit wilden Locken
Irrt noch umher, übernächtig und kalt.
Lieb mich von allen Sünden rein.
Sieh, ich hab manche Nacht gewacht.
Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Nach dem Cabaret
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Joyce Mansour (1928–1986), a Syrian Jewish exile from Egypt, was born in England.
She became a well known female poet, author of 16 books of poetry, as well as a number of important prose and theatre pieces.
Mansour was 25 years old when she published her first book in Paris in 1953.
Her fierce, macabre, erotically charged works caught the eye of André Breton, who welcomed her into his Surrealist group and became her lifelong friend and ally.
Despite her success in surrealist circles, her books received scant attention from the literary establishment, which is hardly surprising since Mansour’s favorite topics happened to be two of society’s greatest fears: death and unfettered female desire.
She lived in Paris, France until her death in 1986 at the age of 58.
Now, over half a century later, Mansour’s time has come. Emerald Wounds collects her most important work, spanning the entire arc of her career, from the gothic, minimalist fragments of her first published work to the serpentine power of her poems of the 1980s.
In fresh new translations, Mansour’s voice surges forth uncensored and raw, communicating the frustrations, anger, and sadness of an intelligent, worldly woman who defies the constraints and oppression of a male-dominated society. Mansour is a poet the world needs today.
“You know very well, Joyce, that you are for me –and very objectively too– the greatest poet of our time. Surrealist poetry, that’s you.” –André Breton
“A woman created the sun
Inside her
And her hands were beautiful
The earth plunged beneath her feet
Assailing her with the fertile breath
Of volcanoes “
Emerald Wounds: Selected Poems
by Joyce Mansour (Author)
Garrett Caples (Editor)
Emilie Moorhouse (Translator)
Published by City Lights
ISBN: 9780872869011
July 25, 2023
217 pages
Paperback
26,99 euro
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L’Homme à la hache
D’après et pour P. Gauguin
A l’horizon, par les brouillards,
Les tintamarres des hasards,
Vagues, nous armons nos démons
Dans l’entre-deux sournois des monts.
Au rivage que nous fermons
Dome un géant sur les limons.
Nous rampons à ses pieds, lézards.
Lui, sur son char tel un César
Ou sur un piédestal de marbre,
Taille une barque en un tronc d’arbre
Pour debout dessus nous poursuivre
Jusqu’à la fin verte des lieues.
Du rivage ses bras de cuivre
Lèvent au ciel la hache bleue.
Alfred Jarry
(1873-1907)
L’Homme à la hache
D’après et pour P. Gauguin
(1894)
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A vital reconstruction of Italian Futurist poet Ardengo Soffici’s visual poetics, presented for the first time in English in Olivia E. Sears’s exacting translations. With a foreword by Marjorie Perloff.
With unexpected lyricism, buzzing between the entropic and the erotic, Soffici’s unrelenting poems manifest his milieu’s fascination with the metropolis. Guillaume Apollinaire called it “very important work, rich in fresh beauties.” This facsimile-style edition—with a foreword by Marjorie Perloff, helpful annotations, and an informative afterword by the translator—offers a glimpse into the vibrant early avant-garde, when modernity held tremendous promise.
Ardengo Soffici (1879-1964) was an Italian painter, poet, and art critic associated with Florentine Futurism. Years spent in Parisian artistic circles spurred Soffici to champion an artistic renewal in Italy, introducing French impressionism and cubism and a vibrant magazine culture.
Olivia E. Sears is a translator of Italian poetry and prose, specializing in avant-garde women writers. She founded the Center for the Art of Translation and the journal Two Lines, where she served as editor for twelve years.
Simultaneities and Lyric Chemisms
Ardengo Soffici
Olivia E. Sears (Translator)
Pub Date: 09/15/2022
Publisher: World Poetry Books
Product Number:9781954218055
ISBN978-1-954218-05-5
SKU #: I17G
Binding: Paperback
Pages:120
Poetry.
Translation.
Italian Studies.
Price: 23,99 euro
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Schwermütig kam die Nacht …
Schwermütig kam die Nacht. Ich bin allein.
Rings wuchern Bücher, Möbel und Tapeten
Im gelben Licht der Lampe fremd und kalt.
Wie weh tun Sehnsucht, Nacht und Einsamsein!
Still möcht ich in dein junges Leben treten
Wie eine Wanderschaft durch einen grünen Wald.
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Schwermütig kam die Nacht …
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Von des Daseins körperlicher Schwere …
Von des Daseins körperlicher Schwere
Überfallen, bedrückt und tief gehemmt,
Dürstet mein Gemüt nach einer Leere.
Draußen haben blasse Abendmeere
Straßen trüb und traurig überschwemmt.
Und die Stadt sinkt wie verwest und grau
In den Schoß der mütterlichen Nacht.
Tief in meiner Seele weint und wacht
Die Erinnerung an eine Frau,
An ein Lied, ein Buch, an Sonne, Blau,
An viel Not, an manche Lust und Pracht.
Schwach durchzittert vom Geläut der Qual
Treibt mein Tag in eine ernste Stille.
Dunklen Himmels glanzlose Pupille
Starrt durchs Fenster hoffnungsblind und fahl.
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Von des Daseins körperlicher Schwere …
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