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EXPERIMENTAL POETRY

· Georg Trakl: Nähe des Todes · Guillaume Apollinaire: Aubade chantée à Laetare l’an passé · Anita Berber: Kokain · Guillaume Apollinaire: Poème 1909 · Emmy Hennings: Ein Traum · Les quatre saisons – L’hiver par Charles Cros · Arno Holz: Auf einem Berg aus Zuckerkant · Hans Ehrenbaum-Degele: Gedicht über Nachtwirkungen · Emmy Hennings: Morfin · Emmy Hennings: Im Krankenhause · Hans Ehrenbaum-Degele: Der Dichter · Emmy Hennings: Tänzerin

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Georg Trakl: Nähe des Todes

Nähe des Todes

O der Abend, der in die finsteren Dörfer
der Kindheit geht.
Der Weiher unter den Weiden
Füllt sich mit den verpesteten Seufzern
der Schwermut.

O der Wald, der leise
die braunen Augen senkt,
Da aus des Einsamen knöchernen Händen
Der Purpur seiner verzückten Tage hinsinkt.

O die Nähe des Todes. Laß uns beten.
Jn dieser Nacht lösen auf lauen Kissen
Vergilbt von Weihrauch sich der Liebenden
schmächtige Glieder.

Georg Trakl
(1887 – 1914)
Nähe des Todes

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Guillaume Apollinaire: Aubade chantée à Laetare l’an passé

Aubade chantée à Laetare l’an passé

C’est le printemps viens-t’en Pâquette
Te promener au bois joli
Les poules dans la cour caquètent
L’aube au ciel fait de roses plis
L’amour chemine à ta conquête

Mars et Vénus sont revenus
Ils s’embrassent à bouches folles
Devant des sites ingénus
Où sous les roses qui feuillolent
De beaux dieux roses dansent nus

Viens ma tendresse est la régente
De la floraison qui paraît
La nature est belle et touchante
Pan sifflote dans la forêt
Les grenouilles humides chantent

Guillaume Apollinaire
(1880 – 1918)
Poéme: Aubade chantée à Laetare l’an passé
Recueil: Alcools (1913)

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Anita Berber: Kokain

Kokain

Wände
Tisch
Schatten und Katzen
Grüne Augen
Viele Augen
Millionenfache Augen
Das Weib
Nervöses zerflatterndes Begehren
Aufflackerndes Leben
Schwälende Lampe
Tanzender Schatten
Kleiner Schatten
Großer Schatten
Der Schatten
Oh – der Sprung über den Schatten
Er quält dieser Schatten
Er martert dieser Schatten
Er frißt mich dieser Schatten
Was will dieser Schatten
Kokain

Aufschrei
Tiere
Blut
Alkohol
Schmerzen
Viele Schmerzen
Und die Augen
Die Tiere
Die Mäuse
Das Licht
Dieser Schatten
Dieser schrecklich große schwarze Schatten.

Anita Berber
(1899-1928)
Kokain

Anita Berber (1899 – 1928) was a German dancer, actress, and poet.  She lived during the time of the Weimar Republic in Berlin.

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Guillaume Apollinaire: Poème 1909

1909

La dame avait une robe
En ottoman violine
Et sa tunique brodée d’or
Était composée de deux panneaux
S’attachant sur l’épaule

Les yeux dansants comme des anges
Elle riait elle riait
Elle avait un visage aux couleurs de France
Les yeux bleus les dents blanches et les lèvres très rouges
Elle avait un visage aux couleurs de France

Elle était décolletée en rond
Et coiffée à la Récamier
Avec de beaux bras nus

N’entendra-t-on jamais sonner minuit

La dame en robe d’ottoman violine
Et en tunique brodée d’or
Décolletée en rond
Promenait ses boucles
Son bandeau d’or
Et traînait ses petits souliers à boucles

Elle était si belle
Que tu n’aurais pas osé l’aimer

J’aimais les femmes atroces dans les quartiers énormes
Où naissaient chaque jour quelques êtres nouveaux
Le fer était leur sang la flamme leur cerveau

J’aimais j’aimais le peuple habile des machines
Le luxe et la beauté ne sont que son écume
Cette femme était si belle
Qu’elle me faisait peur

Guillaume Apollinaire
(1880 – 1918)
Poéme: 1909
Recueil: Alcools (1913)

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Emmy Hennings: Ein Traum

 

Ein Traum

Wir liegen in einem tiefem See
Und wissen nichts von Leid und Weh.
Wir halten uns umfangen
Und Wasserrosen rings um uns her.
Wir streben und wünschen und wollen nichts mehr.
Wir haben kein Verlangen.
Geliebter, etwas fehlt mir doch,
Einen Wunsch, den hab ich noch:
Die Sehnsucht nach der Sehnsucht.

Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Ein Traum

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Les quatre saisons – L’hiver par Charles Cros

 

Les quatre saisons – L’hiver

C’est l’hiver. Le charbon de terre
Flambe en ma chambre solitaire.

La neige tombe sur les toits.
Blanche ! Oh, ses beaux seins blancs et froids!

Même sillage aux cheminées
Qu’en ses tresses disséminées.

Au bal, chacun jette, poli,
Les mots féroces de l’oubli,

L’eau qui chantait s’est prise en glace,
Amour, quel ennui te remplace!

Charles Cros
(1842 – 1888)
Les quatre saisons – L’hiver

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Arno Holz: Auf einem Berg aus Zuckerkant

Auf einem Berg aus Zuckerkant

Auf einem Berg aus Zuckerkant,
unter einem blühenden Machandelbaum,
blinkt mein Pfefferkuchenhäuschen.

Seine Fensterchen sind aus Goldpapier,
aus seinem Schornstein raucht Watte.

Im grünen Himmel, über mir,
rauscht die Weihnachtstanne.

In meinem See aus Staniol
spiegeln sich alle ihre Engel, alle ihre Lichter!

Die kleinen Kinder stehn rum
und staunen mich an.

Ich bin der Zwerg Turlitipu.

Mein dicker Bauch ist aus Traganth,
meine Beinchen Streichhölzer,
meine listigen Äugelchen
Korinthen.

Arno Holz

(1863 – 1929)
Auf einem Berg aus Zuckerkant
(aus: “Phantasus”)

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Hans Ehrenbaum-Degele: Gedicht über Nachtwirkungen

 

Gedicht über Nachtwirkungen

Noch nicht Tag! Die fratzenhafte Nacht
hat mich Stück für Stück entzweigerissen.
Wehe Striemen drücken mir die Kissen,
jede Falte hat mich wund gemacht.

Und der Träume quälerische Schwere:
Wollust, Ekel, Schmerzen, Tränen, Mord,
treibt mein Herz auf einem dunklen Meere
wie ein purpurrotes Segel fort.

Bin ein zitternd Geflecht von Nerven,
allem Bösen in die Hand gegeben,
Und die Schatten sind wie Messerschärfen,
die von meinem Zucken trunken leben.

Und ich möchte in das Dunkel schrein.
Aber meine Stimme ist nicht mehr.
Wilder Bilder ewige Wiederkehr,
stumm, gestaltlos, haltlos muss ich sein!

Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Gedicht über Nachtwirkungen

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Emmy Hennings: Morfin

Morfin

Wir warten auf ein letztes Abenteuer
Was kümmert uns der Sonnenschein?
Hochaufgetürmte Tage stürzen ein
Unruhige Nächte – Gebet im Fegefeuer.

Wir lesen auch nicht mehr die Tagespost
Nur manchmal lächeln wir still in die Kissen,
Weil wir alles wissen, und gerissen
Fliegen wir hin und her im Fieberfrost.

Mögen Menschen eilen und streben
Heut fällt der Regen noch trüber
Wir treiben haltlos durchs Leben
Und schlafen, verwirrt, hinüber…

Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Morfin

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Emmy Hennings: Im Krankenhause

Im Krankenhause

Alle Herbste gehn an mir vorüber.
Krank lieg ich im weißen Zimmer,
Tanzen möchte ich wohl lieber.
An die Geigen denk ich immer.
Und es flimmern tausend Lichter.
O, wie bin ich heute schön!
Bunt geschminkte Angesichter
Schnell im Tanz vorüberwehn.
O, die vielen welken Rosen,
Die ich nachts nach Haus getragen,
Die zerdrückt vom vielen Kosen
Morgens auf dem Tische lagen.
An die Mädchen denk ich wieder,
Die wie ich die Liebe machen.
Wenn wir sangen Heimatlieder,
Unter Weinen, unter Lachen.
Und jetzt lieg ich ganz verlassen
In dem stillen weißen Raum.
O, ihr Schwestern von den Gassen,
Kommt zu mir des Nachts im Traum!

Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Im Krankenhause

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Hans Ehrenbaum-Degele: Der Dichter

 

Der Dichter

Es neigte sich die Schar der jungen Knechte
Dem wirren Haar und dem zerschlißnen Rock.
Die Straße weiter taperte die Rechte,
Die Linke hielt sich krampfig fest am Stock.

Scham schlug ihm rot empor: er war betrunken
Und rang mit seinem Weg; und jäh erblaßt
War er im Rinnstein stolpernd hingesunken
Und raffte sich empor in wirrer Hast.

Da kam’s, daß er den Blick nach innen schlug,
Wo er, buntwechselnd wie Geleucht der Meere,
Wuchernder Blumen Fülle in sich trug.
Und atemraubend gab der süße, schwere

Duft seinem Sinn, der wie ein großer Falter
In ihre tiefen Rätselkelche sank,
Seltsamen Traum und schuf ihn zum Gestalter,
Der Lust und Qual in seine Lieder zwang.

So ging er, in sein Fühlen tief versunken,
Betäubt von Fiebern, Künder schwüler Nächte.
Man wich ihm schonend aus: er war betrunken.
Es neigte sich die Schar der jungen Knechte.

Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Der Dichter
Aus: Versensporn

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Emmy Hennings: Tänzerin

Tänzerin

Dir ist als ob ich schon gezeichnet wäre
Und auf der Totenliste stünde.
Es hält mich ab von mancher Sünde.
Wie langsam ich am Leben zehre.
Und ängstlich sind oft meine Schritte,
Mein Herz hat einen kranken Schlag
Und schwächer wird’s mit jedem Tag.
Ein Todesengel steht in meines Zimmers Mitte.
Doch tanz ich bis zur Atemnot.
Bald werde ich im Grabe liegen
Und niemand wird sich an mich schmiegen.
Ach, küssen will ich bis zum Tod.

Emmy Hennings
(1885 – 1948)
Tänzerin

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