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Boldt, Paul

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Anton K. & Paul Boldt: Reise nach Berlin

Anton K.: Pictures of a journey to Berlin, 2009

Mit ein gedicht von Paul Boldt (1885-1921)

Berlin

Die Stimmen der Autos wie Jägersignale
Die Täler der Straße bewaldend ziehn.
Schüsse von Licht. Mit einem Male
Brennen die Himmel auf Berlin.

Die Spree, ein Antlitz wie der Tag,
Das glänzend meerwärts späht nach Rettern,
Behält der wilden Stadt Geschmack,
Auf der die Züge krächzend klettern.

Die blaue Nacht fließt in der Forst.
Sie fühlt, geblendet, daß du lebst.
Schnellzüge steigen aus dem Horst!
Der weiße Abend, den du webst,

Fühlt, blüht, verblättert in das All.
Ein Menschenhände-Fangen treibst du
Um den verklungnen Erdenball
Wie hartes Licht; und also bleibst du.

Wer weiß, in welche Welten dein
Erstarktes Sternenauge schien,
Stahlmasterblühte Stadt aus Stein,
Der Erde weiße Blume, Berlin.

Paul Boldt (1914)

fleurs du mal magazine

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Paul Boldt: Der Frauentod

Paul Boldt

(1885-1921)

 

DER FRAUENTOD

Der Tod umarmt mich in den warmen Frauen.

Beischlaf erregt, zersetzt die Moleküle.

Ich wandre durch Provinzen der Gefühle

Der Freude ab und komme in das Grauen.

Dich, Dirne, macht die Nacktheit antlitzschön.

Heiliges Fleisch steht auf den Knien im Haar.

Ich liege bei dir, lächelnd, am Altar,

Dem Tod entrückt auf deiner Brüste Höhen.

Aber nach den Umarmungen, nach allem

Durchscheinen jedes Fleisch die hellen Knochen.

Die Muskeln schimmern am Skelett, zerfallen.

Ich sterbe. Niemand hat zu mir gesprochen.

Irrsinnig lasse ich mich sagen, lallen,

Und fühle dich vor Blut und Brüsten kochen.

 

Paul Boldt poetry
fleursdumal.nl magazine

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Paul Bold: 2 Gedichte

Paul Boldt

(1885-1921)

 

AUF DER CHAISELONGUE

Wir haben nicht der Sonne Sympathien.

Und man verspricht sich zwecklos in Gebeten.

Die Negerin, das Pferd und den Ästheten

Frißt Erde auf. Sie können nicht entfliehn.

Gott ist der Freund der Bäume und der Sterne.

Im Hochgebirge wilde Tannen schreien.

Orion hängt über dem All im Freien.

Monumental. Maßlos. In tauber Ferne.

Im Hirn Gelächter. Ich sprach: die Freiheit!! –

Das Weib ist populär. Der Koitus.

Das wadenwarme Bett. Man friert und freit. –

Gefüllt mit Zähnen ist zuletzt der Kuß. –

Komm du doch, Freund, verkürze mir die Zeit,

Mein fröhlich lärmender Revolverschuß.

 

MONOGAMIE

Fleisch. Es bewegt sich mit Blutschatten,

Und es versickert in zehn Tropfen Zehen.

Laß dich von meinen Seelenaugen sehen!

Sag etwas! Gattin, nenn mich deinen Gatten.

Die Küsse schlagen mich! Etwas Allmacht

Ist doch in den Anhäufungen von Armen.

Wie Kameraden liegen wir im warmen

Biwak der Herzen diese Fleischesnacht.

Wenn mir der Morgen in die Haare saust,

Schläfst du bei mir vom Mund bis an die Zehen.

Wir sind gottlos. Nur unser Herz verehrend.

Ein Löwenpaar, das unter Sternen haust.

Einer des andern große Stärke mehrend.

Wir sterben nicht. Das kann uns nicht geschehen.

 

Paul Boldt poetry
fleursdumal.nl magazine

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Paul Boldt: Freundin Hörerin

Paul Boldt
(1885-1921)

 

FREUNDIN HÖRERIN

Die Gegenwart der Nacht macht alles schlimmer.

Die Phantasien der Lust entlaufen schnöde,

Die Uhr schreit häßlich in der Herzeinöde,

Ins Zimmer fliegen die früheren Zimmer.

Unter die Stirne flieht die Gliederherde.

Im Mund weißkleinen Zähnelichtes schreit es,

Und Schrecken wächst im Antlitz wie ein zweites:

Ach, ach, es friert über mich hin aus Erde.

Und das Bewußtsein glaubt noch nicht einmal

Der chemischen Erlösung von dem Leide.

Das Antlitz abgestreift an eine Weide,

Mit Felderarmen liegen wir im Tal.

Ich mußte haltlos altern aus der Jugend

In dieser weißen, häuserigen Stadt.

Auf krummem Himmel frei zu stehen matt,

Den Schädel in die Martermauern fugend.

Im Himmelsgrund voll Schatten, Wind und Straße

Erscheinen wir, die sich bewegend tun.

Aus Augen fliegt über den dunklen Schuhn

Der Regenbogen durch die Antlitzmasse.

Antlitze kommen auf in dem Tierhaar,

Die Einzelaugen an die meinen spülend.

Und ein Gesicht, Auswuchs der Seele, fühlend

Einschwebte Stirn zur Stirne, scheues Paar.

Wir arbeiten. Mich freut es, dich zu sehn

Freundinnenlippenrot, anthropomorph.

Wir bauen in die Stadt uns kleines Dorf

Schädelblut-Häuser und Arme-Alleen.

Das Herz geht in den Händen hin und her.

Die Augen füllen sich an einem Strahl,

Mit Bäumebildern, Städten an dem Meer.

Der Strahl ist aus der Sonne, Tag geheißen.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: 2 Gedichte

Paul Boldt

(1885-1921)

 

ADIEU MÄDCHENLACHEN!

Sie nehmen Abschied, werden nicht vergessen

Die Wege, die sie jetzt gehn – du und ich,

Zwei Lächeln nur, mit denen sich

Apokalyptische Gesichte messen.

O fälschte doch mein sicheres Gesicht!

Die Furcht läuft in die Zukunft und sieht mutig,

Da liegst du, abgeküßt und schenkelblutig:

– Mein Hirn bellt auf – brautnackt im Ampellicht.

Die Schmerzen beißen in das Hirn hinein.

Was martert, mordet nicht mein wilder Freisinn!

O meine Mutter, weißhändige Greisin,

Nimm mich zurück ins Nichtgeborensein!

 

NACH DER NACHT

Laternen, die den Regenabend führen,

Haben die Stadt, die glänzende, verraten.

Eiweißer Eiter tropft im Lichteratem

Der Friedrichstraße, wo sich Dirnen rühren.

Die Augen kriechen aus den Faltenlidern

Und spritzen einen Blick, der dich begießt.

Sie lachen sich das Kleid vom Bauch; du siehst

Die Brüste – Krötenbäuche in den Miedern.

Du flohst, und Vögel sangen für dich junitags.

Der Morgen senkte sich in dein Gesicht.

Es schlugen Uhren an, weckten das Licht.

Doggengebell des Turmuhrstundenschlags.

Du öffnest deinen Mund, der ist lichtzahnig.

O Wanderungen im Gestein der Stadt!

O Röcheln, Schreie, seelenquälend Rad! –

Es sprudelt aus der Morgenröte sahnig.

Du schweigst. Hinter den dunklen Augen ruht

Das Hirn vom Krampf der tötenden Arsene.

Du lächelst, blickst – und da betritt die Szene

Die Sonne, jugendlich, im Wolkenhut.

 

Paul Boldt poetry

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Paul Boldt: 3 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

FRAUEN IN DEN STRASSEN

Die Schenkelschweife an den Rippen.

Kopfhaft und wie ein Kuß gebaut,

Gleitest du dunkle Unterhaut

Seele: du Blutgestalt mit Lippen.

Der Tag voll Nase, Auge, Zopf

Hat die Magie, mich zu verwirren.

Schönheit zerreißt uns an der Stirn.

– Seele küsse mich an den Kopf!

Die Hände, deine Geberinnen,

Ein Erdlachen oder den Schrei.

Ich habe deiner Hände zwei

Verschluckt, oder du machst mich innen

 

FRAUENFEUER

Die Frauenfeuer, so strahlende Augen.

Das Ornament der Schädel ist symmetrisch.

Das Auge vor dem Hirn blinzelt verrätrisch:

Schön ist das Fleisch beleuchtet von den Augen.

Im Jahresdurst. Kein Schrei verläßt das Hirn.

Auf unsern Lippen stumm leuchten sie nackend.

Der Mann stürzt vorwärts mit den Armen packend.

Sein Antlitz krümmt der Schmerz in einen Stern

Aus strengem Licht. Sie aber haben Charme.

Wie Nackende das Lächeln anbehält,

So daß es ihr über die Brüste fällt.

Und folterkräftig ist die Nackte warm

Neben den armen Nackenden gestellt.

Die Fingerglut des Nackten an dem Arm.

 

BADENDE MÄDCHEN

Einmal gezeugt. Aus Haar und Zehenspitze

Fliegen die Rücken, Knie, Bäuche, Nacken.

Und händchengroß entfliegen rote Backen.

Der Antlitzstern zerfliegt in Handantlitze.

Zu der Figur flattern hinaus Neufrauen.

Das Licht zerstreut Bauch-Bild und Brüstefältchen.

Im Sand beisammen leuchtet Muskelwälchen,

Zopf – Zoppot, jung mit Näbeln, Kinn, mit Brauen.

 

Paul Boldt: Junge Pferde! Junge Pferde!

Olten und Freiburg im Breisgau 1979


Paul Boldt poetry

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Paul Boldt: CAPRICCIO

Paul Boldt
(1885-1921)

 

CAPRICCIO

Entlaubte Parke liegen treu wie Doggen
Hinter den Herrenhäusern, um zu wachen.
Schneestürme weiden, eine Herde Bachen.
Oft sind die Rehe auf dem jungen Roggen.

Und eine Wolke droht den Mond zu schänden.
Die Nacht hockt auf dem Park, der stärker rauscht.
Zwei alte Tannen winken, aufgebauscht,
Geheimnisvoll mit den harzigen Händen.

Die Toten sitzen in den nassen Nischen.
Auf einem Kirchenschlüssel bläst der eine,
Und alle lauschen, überkreuzte Beine,
Die Knochenhände eingeklemmt dazwischen.

Am großen, kalten Winterhimmel drohn
Vier Wolken, welche Pferdeschädeln gleichen.
Der Winde Brut pfeift in den hellen Eichen,
Daraus der gelbe Geier Mond geflohn.

Der Tod im Garten tritt jetzt aus dem Schatten
Der Tannen. Rasch. Das Schneelicht spritzt und glänzt.
Der Schrecken flattert breit um das Gespenst,
Das seinen Weg nimmt quer durch die Rabatten.

Zum Schloß. — Dort ruft man: „Prosit Neujahr! Prost!“
Zu zwölfen sind sie, der Apostel Schar,
Und mit Champagner taufen sie das Jahr,
Umstellt vom Sturm, der auf den Dächern tost.

Armleuchter flacken. Dampf von heißem Punsch.
Der Hitze Salven krachen vom Kamin.
Geruch der Weiber — Trimethylamin,
Die Bäuche schwitzen in der großen Brunst.

Jetzt stehn sie auf. Das Stühlerücken schurrt.
Der Tod im Flur ist nicht gewohnt die Speisen.
Er hebt den Kopf gegen das kalte Eisen
Der Schlüsseltülle, schnuppert gierig, knurrt.

Kommt jemand? Still. Er hupft unter die Treppe.
An einem Fräulein zerrt ein Kavalier.
Der Tod schleicht hinterher, ein fletschend Tier
Aus Mond; das trägt der Dame Schleppe.

Sie kommen an die Gruft —: „Hier sind wir sicher!“
— „Ich fürchte mich, oh, sind die Bäume groß!“
Der Tod schupst sie — kein Schrei, sie quieken bloß —
Und läuft hinweg mit heftigem Gekicher. — —

Es dämmert endlich. Mit Blutaugen stiert
Der Morgen hin. Im Saal zappelt ein Märchen.
Der Tod wühlt in den fetten, welken Pärchen,
Frißt sie wie Trüffeln, die ein Schwein aufspürt.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: 3 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

LIEBESMORGEN

Aus dem roten, roten Pfühl

Kriecht die Sonne auf die Dielen,

Und wir blinzeln nur und schielen

Nach uns, voller Lichtgefühl.

Wie die Rosa-Pelikane,

Einen hellen Fisch umkrallend,

Rissen unsere Lippen lallend

Kuß um Kuß vom weißen Zahne.

Und nun, eingerauscht ins weiche

Nachgefühl der starken Küsse,

Liegen wir wie junge Flüsse

Eng umsonnt in einem Teiche.

Und wir lächeln gleich Verzückten;

Lachen gibt der Garten wieder,

Wo die jungen Mädchen Flieder,

Volle Fäuste Flieder pflückten.

 

MEIN FEBRUARHERZ

Als trügen Frauen in den Straußenfedern

Das junge Licht wie eine weiße Fahne,

Gehörten alle Häuser reichen Reedern

Und wären Schiffe, schwimmt um die Altane

Die blaue Luft! Oh, jetzt in einem Kahne

Auf Wassern fahren, süßen Morgennebeln

Entgegensteuern, gleich dem leisen Schwane

Die Wellen teilend mit den schwarzen Hebeln!

Geh in die Leipzigerstraße! Geh ins Freie!

Schön ist die Wollust! Gott ein guter Junge.

Die Dirnen sommern brünstiger als Haie!

Ich habe Geld! Ich bin so schön im Schwunge.

Sonette aus Sonne kitzeln mir die Zunge!

In meiner Kehle sammeln sich die Schreie!

 

ABENDAVENUE

Die Straße ist von Klängen überstrahlt,

Bewachsen von Phantasmen des Geruches,

Und Hüften in den Hülsen blauen Tuches,

Das aller Schritt zu Reiz zermalmt und mahlt.

Die Dirnen kommen, knarrend, Wollustfuder,

Und Bürgermädchen, die mit Reizen knausern;

Jungfräulein die, und andern, die schon mausern,

Gleitet ein Scharlachlächeln in den Puder.

Teufel! Wir werden wie die Pelikane

– Wenn diese Mädchen uns mit Blicken füttern,

Gierig nach den Konturen und Profilen,

Die alle kommen, einzeln, momentane,

Und aus den fetten Rücken, aus den Müttern,

Bisweilen leise nach uns Jungen schielen.

 

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Paul Boldt: FRIEDRICHSTRASSENKROKI 3 UHR 20 NACHTS

Paul Boldt

(1885-1921)

 

FRIEDRICHSTRASSENKROKI

3 UHR 20 NACHTS

Die Friedrichstraße trägt auf Stein

Die blassen Gewässer des Lichtes

Die Dirnen umstehn mit Hirschgeweihn

Die Circe meines Gesichtes.

Ich schaue: – Der Träume Phosphor rinnt

In zwei, vier Menschenaugen neu.

Wie eine Katze springt, gefleckt, der Wind

Zwischen des Asphalts Lichterstreu

Und trägt den fetten, weißen Rauch

Im Maul den jungen Winden ins Nest.

Er faßt die Dirnen an den Bauch

Und klemmt die dünnen Röcke fest.

– Da sind Gesichter, lachen nett,

Daß alle Zähne blecken müssen;

Die Louis zeigen ihr Skelett,

Louise läßt mich ihres küssen.

 

Paul Boldt poetry

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photo Anton K. 2009

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Paul Boldt: 2 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

MÄDCHENNACHT

Der Mond ist warm, die Nacht ein Alkohol,

Der rasch erglühend mein Gehirn betrat,

Und deine Nacktheit weht wie der Passat

Trocknend ins Mark.

Du hast ein weißes Fleischkleid angezogen.

Mich hungert so – ich küsse deine Lippen.

Ich reiße dir die Brüste von den Rippen,

Wenn du nicht geil bist!

– Küsse sind Funken, elektrisches Lechzen

Kupferner Lippen, und die Körper knacken!

Mit einem Sprunge sitzt mein Kuß im Nacken

Und frißt dein Bäumen und dein erstes Ächzen.

Und als ich dir die weißen Knie und,

Dein Herz verlangend, allen Körper küßte,

Geriet mein Schröpfkopf unter deine Brüste;

Da drängte sich das Herz an meinen Mund.

 

GUTEN TAG – HELLE EVA!

Ich wollte mit dir jungem Weibe leben

Gern wie der Sturm auf einem hellen Meer,

Daß deine Hände sich wie Möwen heben.

Wie Strudel leuchten deine Brüste sehr.

Dein Fleisch ist Schnee, und schneereich bist du wie

Russische Winter. Mondrot leuchtet, blond,

Dein Haarkorb an des Nackens Horizont –

Du nackend Weib, du weiße Therapie!

Lange behielt ich deine Witterung

Und jagte hitzig hinter Dirnenrudeln,

Lustkrank, von Qual beweht. Doch du bliebst jung.

Auf deinen Rippen kreisen weiße Strudel;

Du bist ein Weib geworden – puh – fruchtbar,

Du blanker Bauch voll Blut und krautigem Haar.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: Tiergarten


Paul Boldt
(1885-1921)

 

TIERGARTEN

Birken und Linden legen am Kanal

Unausgeruhtes sanft in seinen Spiegel.

Ins Nachtgewölbe rutscht der Mond, ein Igel,

Der Sterne jagt und frißt den Himmel kahl.

Mädchen sind da, und wir sind sehr vergnügt.

Ich schmeiße nach dem dicken Mond mit Steinen;

Die Betty küßt mich, und er soll nicht scheinen,

Weil Bella schweigt und naserümpfend rügt.

Die Sommerstädte liegen um den Park.

Es wird sehr hübsch! Der Süden wandert ein!

Die Sonne wächst! Wie nackte Männer stark

Schreiten die Tage, Frühjahr in den Hüften.

Die schwarzen Linden kommen überein,

Morgen zu grünen in den süßen Lüften!

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: Der Dichter

Paul Boldt

(1885-1921)

 

DER DICHTER

 

Die Antlitzlast auf seinen Schädelknochen,

Wie ein Museum, und die Schmerzen hängen

In großen Augen, blicklos und gebrochen,

Und in dem Mund, verzerrt von den Gesängen.

Es kommt heraus, Dunkles des Blutes, quillt.

Er wird wahnsinnig aus Liebhaberei.

Sein Mund geht lüstern auf. Er lächelt wild.

Hinter die Zähne bergend seinen Schrei.

 

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