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Hoddis, Jakob van

· Jakob van Hoddis: Die Stadt · Jakob van Hoddis: Varieté · Jakob van Hoddis: Der Visionarr · Jakob van Hoddis: Der Todesengel · Jakob van Hoddis: Morgens · Jakob van Hoddis: Weltende (Gedicht)

Jakob van Hoddis: Die Stadt

 

Die Stadt

Ich sah den Mond und des Ägäischen
Grausamen Meeres tausendfachen Pomp.
All meine Pfade rangen mit der Nacht.

Doch sieben Fackeln waren mein Geleit
Durch Wolken glühend, jedem Sieg bereit.

“Darf ich dem Nichts erliegen, darf mich quälen
Der Städte weiten Städte böser Wind?
Da ich zerbrach den öden Tag des Lebens!”

Verschollene Fahrten! Eure Siege sind
Zu lange schon verflackt. Ah! helle Flöten
Und Geigen tönen meinen Gram vergebens.

Jakob van Hoddis
(1887 – 1942)
Die Stadt (Gedicht)

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Jakob van Hoddis: Varieté

Varieté

 

I
Loge

Ein Walzer rumpelt; geile Geigen kreischen;
Die Luft ist weiss vom Dunst der Zigaretten;
Es riecht nach Moschus, Schminke, Wein, nach fetten
Indianern und entblössten Weiberfleischen.

Ah! Schwimmen in der dicken Luft die vielen
Dämlichen Köpfe, die ins Helle glotzen?
Drei Weiber lässt man auf der Bühne spielen,
Die süsslich mit gemeinen Gesten protzen.

 

II
Der Athlet

Und der Athlet tritt auf und staunen kannst de,
Wie er ein Brett mit seiner Faust zerhaut.
Er geht einher mit ungeheurem Wanste
Und feistem Arm und Nacken, schweissbetaut.

Und kurze Hosen schlottern um die Beinchen,
Die sind zu dünnen Stöckchen deformiert.
Prunkende Seide seine Füsschen ziert.
Ach! sind die niedlich! Wie zwei rosa Schweinchen.

 

III
Der Humorist

Ein alter Mann in einem neuen Fracke
Plärrt jetzt seine Liebesabenteuer.
Und besonders nach gewissen neuern
Abenteuern,
Spricht er, gleiche er dem Wracke,
Das auf den Wellen wackle ohne Rast,
Der Winds-„Braut“ preisgegeben, ohne Steuer,
Sogar mit halb verfaultem „Mast“.

 

IV
Tanz

Ein kleines Mädchen mit gebrannten Löckchen
In einem Hemd ganz himmelblau –
Die blossen Beine trippeln ohne Söckchen.
Sie singt: „Ach, tu mir nichts zuleide!
Ach Du! Heut werd ich Deine Frau.“

Dann tanzt sie gierig und mit Chic
Zu einer holprigen Musik.
Und durch die Wirbel blauer Seide
Siehst de den jungen Leib genau.

 

V
Die Inderin

Sie hebt den dünnen Arm; da duckt zum Sprunge
Das dunkle Pantherpaar, durch sieben Reifen
Fährt es hindurch mit elegantem Schwunge.

Und ihre bösen starken Pranken streifen
(Wenn sie verwirrt zurück zum Käfig taumeln)
Die Perlenschnüre, die … von einem lila Gurte …
Um ihrer nackten Herrin Hüften baumeln.

 

VI
Ballet

Neger schlenkern aufrecht mit den Beinen,
Auf dem Rumpfe gelbliche Trikots.
Und dazwischen tanzen unsere frechen kleinen
Weiber blond und nackend; ganz famos
Angezogen:
Nur mit goldenen Stöckelschuhn,
Mit denen sie die fauchenden Athleten
Behende in die dicken Nasen treten.

 

VII
Die Soubrette

Ein Weibsbild kommt als Jägersmann
Und schiesst auf ihrer Flinten.
Und sieht sich einen Vogel an
Und zeigt sich uns von hinten.

Ihr Hintern biegt sich unerhört
Auf Beinen stramm wie Säulen.
Sie singt: „Mich hat die Lieb verstört
Juchhei! im grünen Walde …“

 

VIII
Die Tänzerin

Wie mich die zärtlichen Gelenke rühren,
Dein magrer Nacken, Deiner Kniee Biegen!
Ich zürne fast. Werde ich Dir erliegen?
Wirst Du zu jenem Traum zurück mich führen,

Den ich als Knabe liebend mir erbaute
Aus süssen Versen und dem Spiel der schönen
Schauspielerinnen, linden Geigentönen
Und Idealen, die ich klaute?

Ach! keine fand ich jenem Traume gleich,
Ich musste weinend Weib um Weib vermeiden,
Ich war verbannt zu unermessnen Leiden,
Und hasse jenen Traum. Ich spähe bleich,

Und sorgsam späh ich wie Dein Leib sich wende,
Nach jeder Fehle, die im Tanz du zeigst,
Ich bin dir dankbar, da du doch am Ende
Mit einem blöden Lächeln dich verneigst.

 

IX
Lebendes Bild

Zwei Skribenten mit zu großer Neese
Sitzen vor der Wand aus gelbem Taft;
Und sie sorgen sich um die Synthese
Der Kultur und um die Jungfernschaft.
Denn der Teufel schreitet durch die Mitte
Und ist gänzlich ohne innern Halt.
Feurig federn seine langen Schritte,
Schwarz und wechselnd ist er von Gestalt.
Und er wedelt mit dem schlangenhaften Schweife;
Denn er hat mit einer Maus gehurt,
Und im Vordergrund raucht schon die Pfeife
Seine neugeborne Mißgeburt.

 

Jakob van Hoddis
(1887 – 1942)
Varieté (Gedicht) 1911

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Jakob van Hoddis: Der Visionarr

 

Der Visionarr

Lampe blöck nicht.
Aus der Wand fuhr ein dünner Frauenarm.
Er war bleich und blau geädert.
Die Finger waren mit kostbaren Ringen bepatzt.
Als ich die Hand küßte, erschrak ich:
Sie war lebendig und warm.
Das Gesicht wurde mir zerkratzt.
Ich nahm ein Küchenmesser und zerschnitt ein paar Adern.
Eine große Katze leckte zierlich das Blut vom Boden auf.
Ein Mann indes kroch mit gesträubten Haaren
einen schräg an die Wand gelegten Besenstiel hinauf.

Jakob van Hoddis
(1887 – 1942)
Der Visionarr (Gedicht)

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Jakob van Hoddis: Der Todesengel

 

Der Todesengel

I

Mit Trommelwirbeln geht der Hochzeitszug,
in seidner Sänfte wird die Braut getragen,
durch rote Wolken weißer Rosse Flug,
die ungeduldig goldne Zäume nagen.

Der Todesengel harrt in Himmelshallen
als wüster Freier dieser zarten Braut.
Und seine wilden, dunklen Haare fallen
die Stirn hinab, auf der der Morgen graut.

Die Augen weit, vor Mitleid glühend offen
wie trostlos starrend hin zu neuer Lust,
ein grauenvolles, nie versiegtes Hoffen,
ein Traum von Tagen, die er nie gewußt.

II

Er kommt aus einer Höhle, wo ein Knabe
ihn als Geliebte wunderzart umfing.
Er flog durch seinen Traum als Schmetterling
und ließ ihn Meere sehn als Morgengabe.

Und Lüfte Indiens, wo an Fiebertagen
das greise Meer in gelbe Buchten rennt.
Die Tempel, wo die Priester Zimbeln schlagen,
um Öfen tanzend, wo ein Mädchen brennt.

Sie schluchzt nur leise, denn der Schar Gesinge
zeigt ihr den Götzen, der auf Wolken thront
und Totenschädel trägt als Schenkelringe,
der Flammenqual mit schwarzen Küssen lohnt.

Betrunkne tanzen nackend zwischen Degen,
und einer stößt sich in die Brust und fällt.
Und während blutig sich die Schenkel regen,
versinkt dem Knaben Tempel, Traum und Welt.

III

Dann flog er hin zu einem alten Manne
und kam ans Bett als grüner Papagei.
Und krächzt das Lied: »O schmähliche Susanne!«
Die längst vergessne Jugendlitanei.

Der stiert ihn an. Aus Augen glasig blöde
blitzt noch ein Strahl. Ein letztes böses Lächeln
zuckt um das zahnlose Maul. Des Zimmers Öde
erschüttert jäh ein lautes Todesröcheln.

IV

Die Braut friert leise unterm leichten Kleide.
Der Engel schweigt. Die Lüfte ziehn wie krank.
Er stürzt auf seine Knie. Nun zittern beide.
Vom Strahl der Liebe, der aus Himmeln drang.
Posaunenschall und dunkler Donner lachen.

Ein Schleier überflog das Morgenrot.
Als sie mit ihrer zärtlichen und schwachen
Bewegung ihm den Mund zum Küssen bot.

Jakob van Hoddis
(1887 – 1942)
Der Todesengel (Gedicht)

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Jakob van Hoddis: Morgens

 

Morgens

Ein starker Wind sprang empor.
Öffnet des eisernen Himmels blutende Tore.
Schlägt an die Türme.
Hellklingend laut geschmeidig über die eherne Ebene der Stadt.
Die Morgensonne rußig. Auf Dämmen donnern Züge.
Durch Wolken pflügen goldne Engelpflüge.
Starker Wind über der bleichen Stadt.
Dampfer und Kräne erwachen am schmutzig fließenden Strom.
Verdrossen klopfen die Glocken am verwitterten Dom.
Viele Weiber siehst du und Mädchen zur Arbeit gehn.
Im bleichen Licht. Wild von der Nacht. Ihre Röcke wehn.
Glieder zur Liebe geschaffen.
Hin zur Maschine und mürrischem Mühn.
Sieh in das zärtliche Licht.
In der Bäume zärtliches Grün.
Horch! Die Spatzen schrein.
Und draußen auf wilderen Feldern
singen Lerchen.

Jakob van Hoddis
(1887 – 1942)
Morgens (Gedicht)

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Jakob van Hoddis: Weltende (Gedicht)

 

Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei.
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Jakob van Hoddis
(1887 – 1942)
Weltende (Gedicht)

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