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Gedicht über Nachtwirkungen
Noch nicht Tag! Die fratzenhafte Nacht
hat mich Stück für Stück entzweigerissen.
Wehe Striemen drücken mir die Kissen,
jede Falte hat mich wund gemacht.
Und der Träume quälerische Schwere:
Wollust, Ekel, Schmerzen, Tränen, Mord,
treibt mein Herz auf einem dunklen Meere
wie ein purpurrotes Segel fort.
Bin ein zitternd Geflecht von Nerven,
allem Bösen in die Hand gegeben,
Und die Schatten sind wie Messerschärfen,
die von meinem Zucken trunken leben.
Und ich möchte in das Dunkel schrein.
Aber meine Stimme ist nicht mehr.
Wilder Bilder ewige Wiederkehr,
stumm, gestaltlos, haltlos muss ich sein!
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Gedicht über Nachtwirkungen
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Der Dichter
Es neigte sich die Schar der jungen Knechte
Dem wirren Haar und dem zerschlißnen Rock.
Die Straße weiter taperte die Rechte,
Die Linke hielt sich krampfig fest am Stock.
Scham schlug ihm rot empor: er war betrunken
Und rang mit seinem Weg; und jäh erblaßt
War er im Rinnstein stolpernd hingesunken
Und raffte sich empor in wirrer Hast.
Da kam’s, daß er den Blick nach innen schlug,
Wo er, buntwechselnd wie Geleucht der Meere,
Wuchernder Blumen Fülle in sich trug.
Und atemraubend gab der süße, schwere
Duft seinem Sinn, der wie ein großer Falter
In ihre tiefen Rätselkelche sank,
Seltsamen Traum und schuf ihn zum Gestalter,
Der Lust und Qual in seine Lieder zwang.
So ging er, in sein Fühlen tief versunken,
Betäubt von Fiebern, Künder schwüler Nächte.
Man wich ihm schonend aus: er war betrunken.
Es neigte sich die Schar der jungen Knechte.
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Der Dichter
Aus: Versensporn
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Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigt ab 2.9.2023 in einer umfassenden Ausstellung die Werke des Künstlers Chaïm Soutine (1893 – 1943, geb. in Smilovit- chi, gest. in Paris).
Dessen expressive Gemälde reflektieren sein Leben als jüdischer Emigrant und sind zugleich Zeugnisse einer Existenz am Rand der Gesellschaft. Die Ausstellung im K20 konzentriert sich mit rund 60 Gemälden bewusst auf die frühen Meisterwerke des Künstlers und legt ihren Fokus auf die Serien, die zwischen 1918 und 1928 entstanden sind. Die Ausstellung widmet sich auch der Entwurzelung des Menschen infolge von Flucht und Migration, die damals wie heute eine zutiefst prägende Erfahrung ist.
Die Gemälde Soutines sind Farbexplosionen und trotz aller widrigen Umstände Liebeserklärungen an das Leben und an die Menschen, die wie er auf der untersten Stufe der Gesellschaft stehen. Pagen, Zimmermädchen, Köche, Messdiener und Chorknaben sind seine Modelle. Mit ihnen, wie mit den Gemälden von wankenden Landschaften und geschlachteten Tieren schafft er prägnante Bilder für eine ganze Epoche. Einer Generation, die durch Krieg, soziale Missstände und den unerbittlichen Widerstreit religiöser und politischer Weltanschauungen gezeichnet ist. Die Menschen und Motive berühren zutiefst, weil ihre Verletzlichkeit den Existenzängsten unserer Zeit Ausdruck verleiht.
War Soutine durch sein Einzelgängertum zu Lebzeiten ein Spezialfall der Moderne, so wurde er nach seinem Tod gleichermaßen zum Urvater des Abstrakten Expressionismus und der Neuen Figuration erhoben. Nachfolgende Maler*innengenerationen verehrten ihn und beriefen sich auf ihn als Vorbild und Inspiration. Dazu gehörten Willem de Kooning, Jackson Pollock, Jean Dubuffet und vor allem Francis Bacon. Später kamen Georg Baselitz, Marlene Dumas, Anish Kapoor und andere dazu.
Katalog
Chaïm Soutine. Gegen den Strom
Herausgegeben von:
Susanne Gaensheimer und Susanne Meyer-Büser, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Texte von Claire Bernardi, Marta Dziewańska, Catherine Frèrejean, Sophie Krebs,
Susanne Meyer-Büser, Pascale Samuel
Hatje Cantz, Berlin
Deutsche Ausgabe
176 Seiten, Hardcover
Preis: 32 Euro
Chaïm Soutine. Gegen den Strom
K20 vom 2. September bis 14. Januar 2024
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Website: https://www.kunstsammlung.de/de/soutine
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Schwermütig kam die Nacht …
Schwermütig kam die Nacht. Ich bin allein.
Rings wuchern Bücher, Möbel und Tapeten
Im gelben Licht der Lampe fremd und kalt.
Wie weh tun Sehnsucht, Nacht und Einsamsein!
Still möcht ich in dein junges Leben treten
Wie eine Wanderschaft durch einen grünen Wald.
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Schwermütig kam die Nacht …
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Von des Daseins körperlicher Schwere …
Von des Daseins körperlicher Schwere
Überfallen, bedrückt und tief gehemmt,
Dürstet mein Gemüt nach einer Leere.
Draußen haben blasse Abendmeere
Straßen trüb und traurig überschwemmt.
Und die Stadt sinkt wie verwest und grau
In den Schoß der mütterlichen Nacht.
Tief in meiner Seele weint und wacht
Die Erinnerung an eine Frau,
An ein Lied, ein Buch, an Sonne, Blau,
An viel Not, an manche Lust und Pracht.
Schwach durchzittert vom Geläut der Qual
Treibt mein Tag in eine ernste Stille.
Dunklen Himmels glanzlose Pupille
Starrt durchs Fenster hoffnungsblind und fahl.
Hans Ehrenbaum-Degele
(1889 – 1915)
Von des Daseins körperlicher Schwere …
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Avondgeluiden
Er moeten witte hoeven achter de zoom staan
van de blauwe velden langs de maan
‘s avonds hoort gij aan de verre steenwegen
paardehoeven
dan hoort gij alles stille waan
van verre maanfonteinen zijpelt plots water
– gij hoort plots het zijpelen
van avondlik water –
de paarden drinken haastig
en hinniken
dan hoort men weer hun draven stalwaarts
.
Paul van Ostaijen
(1896 – 1928)
Avondgeluiden
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Melopee
Voor Gaston Burssens
Onder de maan schuift de lange rivier
Over de lange rivier schuift moede de maan
Onder de maan op de lange rivier schuift de kano naar zee
Langs het hoogriet
langs de laagwei
schuift de kano naar zee
schuift met de schuivende maan de kano naar zee
Zo zijn ze gezellen naar zee de kano de maan en de man
Waarom schuiven de maan en de man getweeën gedwee naar de zee
.
Paul van Ostaijen
(1896 – 1928)
Melopee
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Een schoon gezicht . . .
Een schoon gezicht heeft de dagblad-postiche
CREME LA NYMPHE
zij zou zeer schoon zijn indien
zij geen sproeten had
Hoe jammer wanneer een zo schone vrouw sproeten heeft
zomersproeten
zoals bij deze postiche het geval is
gebekt haar
de boog van de wenkbrauwen
en de lieve mond
en de volle wangen
en de kuiltjes
doch zoals gezegd
hoe jammer die zomersproeten
Nochtans heb je
CREME LA NYMPHE
hoofdapoteek bijhuizen overal verkrijgbaar
het jammer kan worden verwijderd
dank zij de hoofdapoteek en de bijhuizen
zijn er op de wereld geen sproeten meer
en u
allerschoonste met gekruld haar en verlokkelike lippen
u
die prijkt op de laatste bladzijde
van het laatste nieuws
kan ik beminnen
omdat gij dank de nimfezalf
voortaan zult zijn
zonder sproeten
of zomersproeten
Paul van Ostaijen
(1896 – 1928)
Een schoon gezicht . . .
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George Grosz
Manchmal spielen bunte Tränen
In seinen äschernen Augen.
Aber immer begegnen ihm Totenwagen,
Die verscheuchen seine Libellen.
Er ist aberglaubig–
–Ward unter einem großen Stern geboren–
Seine Schrift regnet,
Seine Zeichnung: Trüber Buchstabe.
Wie lange im Fluß gelegen,
Blähen seine Menschen sich auf.
Mysteriöse Verlorene mit Quappenmmäulern
Und verfaulten Seelen.
Fünf träumende Totenfahrer
Sind seine silbernen Finger.
Aber nirgendwo ein Licht im verirrten Märchen
Und doch ist er ein Kind,
Der Held aus dem Lederstrumpf
Mit dem Indianerstamm auf Duzfuß.
Sonst haßt er alle Menschen,
Sie bringen ihm Unglück.
Aber Georg Grosz liebt sein Mißgeschick
Wie einen anhänglichen Feind.
Und seine Traurigkeit ist dionysisch,
Schwarzer Champagner seine Klage.
Er ist ein Meer mit verhängtem Mond,
Sein Gott ist nur scheintot.
Else Lasker-Schüler
(1869 – 1945)
George Grosz
aus: Die Kuppel. Paul Cassirer, Berlin 1920
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Begegnung
Dein Gehen lächelt in mich über
Und
Reißt das Herz.
Das Nicken hakt und spannt.
Im Schatten deines Rocks
Verhaspelt
Schlingern
Schleudert
Klatscht!
Du wiegst und wiegst.
Mein Greifen haschet blind.
Die Sonne lacht!
Und
Blödes Zagen lahmet fort
Beraubt beraubt!
August Stramm
(1874-1915)
Begegnung, 1914
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Mondschein
Bleich und müde
Schmieg und weich
Kater duften
Blüten graunen
Wasser schlecken
Winde schluchzen
Schein entblößt die zitzen Brüste
Fühlen stöhnt in meine Hand.
August Stramm
(1874-1915)
Mondschein, 1914
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Schwermut
Schreiten Streben
Leben sehnt
Schauern Stehen
Blicke suchen
Sterben wächst
Das Kommen
Schreit!
Tief
Stummen
Wir.
August Stramm
(1874-1915)
Schwermut, 1914
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