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Angst
O wie ist diese Nacht so schwer,
Und wie hangen die Wolken so tief.
Warum stöhnen die sanften Tiere,
Bluten laubdunkle Bäume,
Seufzt in jedem Winkel der Tod?
Wo sind die blassen Engel geblieben
Und die zittergoldenen Sterne?
Ist Gott gestorben?
O, diese Nacht ist tausend Jahre schwer.
Auf der Brücke geht noch mit hastigen Schritten ein Mann.
Er wird zu spät kommen –
In der Mansarde salbt der junge Priester
Den Mund der Sterbenden.
Eine schwarze Blume wächst furchtbar in ihre Fieber,
Aber selig umglänzt der Mond ihre Wangen.
In meinem Zimmer knistert die Kerze.
Schmächtige Schatten steigen aus den Wänden:
Leben, die ich gelebt habe und vergaß.
Ein Gesicht weint lange in meinen Händen.
Francisca Stoecklin
(1894-1931)
Angst
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Morphina
Im Traume fand ich dich,
Mädchen, in mondener Nacht
Kamst du mir zögernd entgegen.
Auf deiner Stirne träumte ein Stern,
Deine kleinen Schritte klangen wie Glas,
Um deinen Mund ein überweltliches Lächeln.
Deine schmalen Schultern froren im Wind.
Ich umschlang dich, deinen eisigen Körper.
Schwester! wie lange bist du gestorben …
Wir sanken, wir fielen.
Mohn umblühte unser Sterben.
Francisca Stoecklin
(1894-1931)
Morphina
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Venus
O Tag der Gnade,
Sieg des frühlinghaften Glänzens!
Da sich das Meer
in dich hineingeliebt,
die schlankste Welle
deine Anmutslinie zog.
Und dann ihr kluges Spiel
auf ewige Zeit
in deine Adern sang,
damit du sein Geheimnis
großen Liebenden erhältst.
Ihr Priesterinnen,
die in Venus Zeichen flammt,
fühlt oft die Sehnsucht
schmerzend nach dem Meere,
und in den höchsten Liebesfesten
Tod und Todesangst.
Du aber Göttin
schwebst unsterblich,
lächelnd über allem –
und mit bestrickender Gebärde
hält deine Hand
die rosige Muschel
des Verschenkens.
Himmel und Qualen
der Jahrtausende!
Francisca Stoecklin
(1894-1931)
Venus
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Francisca Stoecklin
(1894-1931)
An den unsterblich Geliebten
Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Aber ich weiß,
Du wartest auf mich
Jetzt und immer.
Wissend und gut.
Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Ich sehne mich nach dir,
Nach deinen sanften Händen,
Nach deiner frommen Schönheit,
Nach deiner klugen Güte.
O ich sehne mich nach dir.
Alles, was ich habe, will ich dir schenken,
Alles was ich denke, will ich dir denken,
Ich will dich lieben in allen Dingen,
Meine schönsten Worte will ich dir singen,
All meine Schmerzen und Sünden will ich dir weinen.
Meiner Seligkeit Sonnen werden dir scheinen.
Was ich bin, will ich dir sein.
Meine Träume sind voll deiner Zärtlichkeit.
Mein Blut singt süß deine Unendlichkeit.
Weiße Seele
Unsterblich Geliebter.
Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe,
Im Schauer meiner Ängste,
Im Lachen meines Glücks.
Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe.
Francisca Stoecklin Lyrik
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Francisca Stoecklin
(1894-1931)
Seele der Liebenden
Einmal schon liebte ich dich
Und das Meer, das Meer.
Doch lichter waren damals
Die Seelen, ungetrübt
Von dunklen Taten.
Es sangen unsere Liebe
Strahlend die Sterne,
Und das Meer, das Meer.
Wieviel hundert Jahre
Sind seitdem vergangen,
Wieviel Leiden und Tode
Und Sterne. Wo blieben
Die Seelen so lange?
Wir halten uns schweigend
Die schauernden Hände.
Wir blicken uns tief
In die fragenden Augen.
Noch singen die Sterne
Und das Meer, das Meer.
Aber unfaßbar ewig
Ist die Vergangenheit
Der menschlichen Seele.
Francisca Stoecklin Lyrik
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Francisca Stoecklin
(1894-1931)
An ein Mädchen
Bist du Leda,
und wartest noch immer
auf die Rückkehr
des schimmernden Schwanes,
der allein dem Schmiegen
deiner fließenden Glieder genügt?
O, wie lange ist alles
Beglückende vergangen!
Nur wenn du tanzest,
wenn deine Blässe
vom Strahl der Mitternachtssonne
erleuchtet,
durchpulsen Jahrtausende
deine Seele, deinen Leib.
In deinem Lachen birgt sich
der Schrei der Mänade.
In dem sich wild lösenden Goldhaar
schwebt ein Schimmer
von Blut.
Dann liebst du das Feuer,
die Erde, den Wind –
und alle die um dich sind
werden empor gehoben
in ein Reich von Rausch und Traum,
– und du weißt nicht,
hält dich das Leben
oder der Tod.
Francisca Stoecklin Lyrik
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Francisca Stoecklin
(1894-1931)
An die Liebe
Alle suchen sie dich
und überall lockst du.
Aus tausend Verhüllungen schimmert
dein unenträtselt Gesicht.
Aber wenigen nur
gewährst du Erfüllung,
selige Tage, reines Glück.
Zärtlich wehn dich die Blumen,
die scheuen Gräser,
der Schmetterlinge heiterer Flug;
wilder der Wind
und das ewig sich wandelnde Meer.
Wunderbar strahlst du
aus den Augen des Menschen,
der ein Geliebtes
in seinen Armen hält,
vom tönenden Sternenhimmel überwölbt.
In die zitternde Seele
schweben Schauer
von Leben und Tod.
Francisca Stoecklin Lyrik
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