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Stadler, Ernst

· Ernst Stadler: Dunkle Fahrt · Ernst Stadler: Aus der Dämmerung · Ernst Stadler: Untergang · Ernst Stadler: Mittag · Ernst Stadler: Dämmerung in der Stadt · Ernst Stadler: Ballhaus · Ernst Stadler: Was waren Frauen anders dir als Spiel . . . · Ernst Stadler: Linda · Ernst Stadler: Pans Trauer · Ernst Stadler: Beata Beatrix

Ernst Stadler: Dunkle Fahrt

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Dunkle Fahrt

Die alten Brunnen rauschten wie im Traum

durch fernen Hall vertrauter Abendglocken

und flossen weich ins Dunkel· das den Duft

nachtschwüler Gärten· die ich spät durchwandert·

still atmend trug. Nun tut sich dämmernd auf·

vom schwanken Frühlicht hingetürmt· umwölbt

von Felsenstürzen· purpurtiefen Schluchten·

der letzten Fahrten letzte Ruhestatt:

Mit schwarzem Strom die goldig dunkle Trift.

Die kalten Eisenstufen schreit ich leicht

die leise klirrenden ins Tal· daraus

nicht Rückkehr ist. Nun bette mich

in blauen Schatten blütenloses Land·

traumstarre Flut!

 

Schonrührt dein schwerer Hauch

mich schauernd an. Schon überweht ein Glanz

mich Trunknen hell wie einer Gottheit Bild

aus blitzendem Gewölk. Schon trübt und wirrt

des Lebens Spiegel fern sich wie ein Traum·

der flatternd zwischen Tag und Dämmer lischt.

1904

 

Ernst Stadler poetry

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Ernst Stadler: Aus der Dämmerung

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Aus der Dämmerung

In Kapellen mit schrägen Gewölben· zerfallnen Verließen

und Scheiben flammrot wie Mohn und wie Perlen grün

und Marmoraltären über verwitterten Fliesen

sah ich die Nächte wie goldne Gewässer verblühn:

 

der schlaffe Rauch zerstäubt aus geschwungnen Fialen

hing noch wie Nebel schwankend in starrender Luft·

auf Scharlachgewirken die bernsteinschillernden Schalen

schwammen wie Meergrundwunder im bläulichen Duft.

 

In dämmrigen Nischen die alten süßen Madonnen

lächelten müd und wonnig aus goldrundem Schein.

Rieselnde Träume hielten mich rankend umsponnen·

säuselnde Lieder sangen mich selig ein.

 

Des wirbelnden Frühlings leise girrendes Locken·

der Sommernächte Duftrausch weckte mich nicht:

Blaß aus Fernen läuteten weiße Glocken . .

Grün aus Kuppeln sickerte goldiges Licht . .

1904

 

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Ernst Stadler: Untergang

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Untergang

Die kupferrote Sonne im Versinken

Hängt zwischen Höhlen scharf gezackter Zweige

In harter Glut der strahlenlosen Neige,

Die feuchte Luft scheint allen Glanz zu trinken.

Die grauen Wolken, aufgeschwellt von Regen,

Mit langen Schleppen, die am Boden schleifen,

Und lau umströmt von schwachen Lilastreifen,

Ergießen dünnes Licht auf allen Wegen.

Nur in der Bäume enggedrängten Gruppen,

Die steil wie Inseln aus den grünen Matten

Des Parkes steigen, lagern dichtre Schatten,

Hinsinkend von den braunen Hügelkuppen.

 

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Ernst Stadler: Mittag

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Mittag

Der Sommermittag lastet auf den weißen

Terrassen und den schlanken Marmortreppen·

die Gitter und die goldnen Kuppeln gleißen·

leis knirscht der Kies. Vom müden Garten schleppen

 

sich Rosendüfte her· wo längs der Hecken

der schlaffe Wind entschlief in roten Matten·

und geisternd strahlen zwischen Laubverstecken

die Götterbilder über laue Schatten.

 

Die Efeulauben flimmern. Schwäne wiegen

und spiegeln sich in grundlos grünen Weihern·

und große fremde Sonnenfalter fliegen

traumhaft und schillernd zwischen Düfteschleiern.

 1904

 

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Ernst Stadler: Dämmerung in der Stadt

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Dämmerung in der Stadt

 

Der Abend spricht mit lindem Schmeichelwort die Gassen

In Schlummer und der Süße alter Wiegenlieder,

Die Dämmerung hat breit mit hüllendem Gefieder

Ein Riesenvogel sich auf blaue Firste hingelassen.

 

Nun hat das Dunkel von den Fenstern allen Glanz gerissen,

Die eben noch beströmt wie veilchenfarbne Spiegel standen,

Die Häuser sind im Grau, durch das die ersten Lichter branden

Wie Rümpfe großer Schiffe, die im Meer die Nachtsignale hissen.

 

In späten Himmel tauchen Türme zart und ohne Schwere,

Die Ufer hütend, die im Schoß der kühlen Schatten schlafen,

Nun schwimmt die Nacht auf dunkel starrender Galeere

Mit schwarzem Segel lautlos in den lichtgepflügten Hafen.

 1911

 

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Ernst Stadler: Ballhaus

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Ballhaus

Farbe prallt in Farbe wie die Strahlen von Fontänen,

die ihr Feuer ineinanderschießen,

Im Geflitter hochgeraffter Röcke

und dem Bausch der bunten Sommerblusen.

Rings von allen Wänden, hundertfältig

Ausgeteilt, strömt Licht.

Die Flammen, die sich zuckend in den Wirbel gießen,

Stehen, höher, eingesammelt,

in den goldgefaßten Spiegeln, fremd und hinterhältig,

Wie erstarrt und Regung doch in grenzenlose Tiefen

weiterleitend, Leben, abgelöst und fern

und wieder eins und einig mit den Paaren,

Die im Bann der immer gleichen Melodien,

engverschmiegt, mit losgelassnen Gliedern schreitend,

Durcheinanderquirlen: Frauen, die geschminkten

Wangen rot behaucht, mit halb gelösten Haaren,

Taumelnd, nur die Augen ganz im Grund ein

wenig matt, die in das Dunkel leerer Stunden laden,

Während ihre Körper sich im Takt

unkeuscher Gesten ineinanderneigen,

Ernsthaft und voll Andacht:

und sie tanzen, gläubig blickend, die Balladen

Müd gebrannter Herzen, lüstern und verspielt,

und vom Geplärr der Geigen

Wie von einer zähen lauen Flut umschwemmt.

Zuweilen kreischt ein Schrei.

Ein Lachen gellt. Die Schwebe,

In der die Paare, unsichtbar gehalten,

schaukeln, schwankt.

Doch immer, wie in traumhaft irrem Schwung

Schnurrt der Rhythmus weiter

durch den überhitzten Saal …

Daß nur kein Windzug jetzt

die roten Samtportieren hebe,

Hinter denen schon der Morgen wartet,

grau, hager, fahl …

bereit, in kaltem Sprung,

Die Brüstung übergreifend, ins Parkett zu gleiten,

daß die heißgetanzten Reihen jählings stocken,

Traum und Tanz zerbricht,

Und während noch die Walzerweise

sinnlos leiernd weitertönt,

Tag einströmt und die dicke Luft von Schweiß,

Parfum und umgegossnem Wein zerreißt,

und durch das harte Licht,

Fernher rollend, ehern, stark und klar,

das Arbeitslied der großen Stadt

durch plötzlich aufgerissene Fenster dröhnt.

 

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Ernst Stadler: Was waren Frauen anders dir als Spiel . . .

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Was waren Frauen anders dir als Spiel . . .

Was waren Frauen anders dir als Spiel,

Der du dich bettetest in soviel Liebesstunden:

Du hast nie andres als ein Stück von dir gefunden,

Und niemals fand dein Suchen sich das Ziel.

 

Du strebtest, dich im Hellen zu befreien,

Und wolltest untergeh’n in wolkig trüber Flut –

Und lagst nur hilflos angeschmiedet in den Reihen

Der Schmachtenden, gekettet an dein Blut.

 

Du stiegst, dein Leben höher aufzutürmen,

In fremde Seelen, wenn dich eigne Kraft verließ,

Und sahst erschauernd deinen Dämon dich umstürmen,

Wenn deinen dünnen Traum der Tag durchstieß.

 

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Ernst Stadler: Linda

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Linda

Du griffst nach Glück.

Es schmolz wie Flocken Schnees,

die du in aufgehobnen Händen eingefangen.

Frost fiel auf dich. Du hast Decken

über dein rot strömendes Herz gehangen.

Traumstarre kam und füllte alle Mulden deiner Seele

wie Gewässer aus entsperrten Wehren –

Nun fühlst du Wüsten um dich wachsen,

die dein wehes Blut verzehren.

Nun siehst du dich, mit nachtgebundnen Augen,

wie im Schlaf, durch tote Gassen schreiten

Und Schicksal, spukhaft nah und unerreichbar,

dir vorübergleiten.

Wach auf! Gespenster suchen dich!

Sieh: über dir wölbt sich südlicher Mittagshimmel,

buntgefleckt, goldtief und klar!

Sieh: der Meerwind deiner Kindheit weht immer noch

über dein aufgelockertes schwarzes Haar!

Sieh: deine schlaf betäubten Augen sind

ganz getränkt und vollgesogen

Mit Glück der Welt, das sie in frühen Klostertagen

dürstend auf sich hergezogen.

Und jeder Hauch,

der dein erwachend Blut dereinst bewegt,

Ward nun zum festen Pulsschlag,

der dein Wesen nährt und trägt.

Tanz bäumt sich in deinen Gliedern

und wartet, aufgereckt,

Daß deines Herzens Cymbelschlagen

seine Lust erweckt.

Deines Lebens Stimme steigt,

morgendlich überschwellend wie Lerchenschlag,

Über das Frühlingsland,

das lauter und jung erglänzt wie am ersten Tag.

Vor deiner Schwelle wartet alles Wunder

und will zu dir herein –

Schüttle die Nacht von dir!

Sei du! Und du wirst stark und selig sein.

 

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Ernst Stadler: Pans Trauer

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Pans Trauer

Die dunkle Trauer, die um aller Dinge Stirnen todessüchtig wittert,

Hebt sachte deiner Flöte Klingen auf, das mittäglich im braunen Haideröhricht zittert.

Die Schwermut aller Blumen, aller Gräser, Steine, Schilfe, Bäume stummes Klagen

Saugt es in sich und will sie demutsvoll in blaue Sommerhimmel tragen.

Die Müdigkeit der Stunden, wenn der Tag durch gelbe Dämmernebel raucht,

Heimströmend alles Licht im mütterlichen Schoß der Nacht sich untertaucht,

Verlorne Wehmut kleiner Lieder, die ein Mädchen tanzend sich auf Sommerwiesen singt,

Glockengeläut, das heimwehrauschend über sonnenrote Abendhügel dringt,

Die große Traurigkeit des Meers, das sich an grauer Küsten Damm die Brust zerschlägt

Und auf gebeugtem Rücken endlos die Vergänglichkeit vom Sommer in den jungen Frühling trägt –

Sinkt in dein Spiel, schwermütig helle Blüte, die in dunkle Brunnen glitt . . .

Und alle stummen Dinge sprechen leise glühend ihrer Seelen wehste Litaneien mit.

Du aber lächelst, lächelst . . Deine Augen beugen sich vergessen, weltenweit entrückt

Über die Tiefen, draus dein Rohr die große Wunderblume pflückt.

1911

 

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Ernst Stadler: Beata Beatrix

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Beata Beatrix

D. G. R.

Dämmerläuten schüttet in den veilchenblauen Abend

weiße Blütenflocken. Kleine Flocken

blank wie Muschelperlen rieseln· tanzen·

schwärmen weich wie dünne blasse Daunen·

wirbelnd· wölkend. Schwere Blütenbäume

streuen goldne Garben. Wilde Gärten

tragen mich in blaue Wundernächte·

große wilde Gärten. Tiefe Beete

schwanken brennend auf· wie Traumgewässer

still und spiegelnd. Silberkähne heben

mich von braunen Uferwiesen

in das Leuchten. Über Scharlachfluten

dunklen Mohns· der rot in Flammensäulen

züngelt· treibt der Nachen. Bleiche Lilien

tropfen schillernd drüberhin wie Wellen.

Düfte aus kristallnen Nächten tauchend·

schlingen wirr und hängen sich ins Haar·

und sie locken . . leise· leise . .

und die grünen klaren Tiefen flimmern . .

Purpurstrahlen schießen . . leise sink ich . .

süß umfängt mich müder Laut von Geigen . .

schwingt· sinkt· gleitende Paläste

funkeln fern. Licht stürzt

über mich. Weit· grün

schwebt ein Glänzen .

1904

 

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