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Die Vielfalt von Rainer Maria Rilkes (1875 bis 1926) Lebensstationen spiegelt sich im Werk des “letzten Dichters” wider.
In dieser kompakten Darstellung folgt Rüdiger Görner Rilkes Spuren, verwehrt sich aber den gängigen Einordnungen und Periodisierungen. Es geht ihm vielmehr um den Prozess des Schaffens und um die Geschlossenheit des Werkes.
Görner zeigt Rilke in seiner Zeit und analysiert die wichtigsten Einflüsse. Auf behutsame Weise werden Leben und Werk miteinander verwoben, und Görner veranschaulicht die Wirkung der Musik, der bildenden Kunst und der Politik.
Rüdiger Görner, geboren 1957 in Rottweil, ist Professor für Neuere Deutsche und vergleichende Literatur an der Queen Mary University of London. Gründer des Ingeborg Bachmann Centre for Austrian Literature und Gründungsdirektor des Centre for Anglo-German Cultural Relations. Träger des Deutschen Sprachpreises, des Reimar Lüstpreises der Alexander von Humboldt-Stiftung und des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Bei Zsolnay erschienen Rainer Maria Rilke. Im Herzwerk der Sprache (2004), Georg Trakl. Dichter im Jahrzehnt der Extreme (2014) und Oskar Kokoschka. Jahrhundertkünstler (2018).
Rüdiger Görner
Rainer Maria Rilke.
Im Herzwerk der Sprache
Buch – Fester Einband
344 Seiten
Deutscher Sprache
Zsolnay / Deuticke
Carl Hanser Verlag, München
ISBN 978-3-552-05302-1
2004
€24,90
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Rainer Maria Rilke
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Rainer Maria Rilke feierte die Liebe, verschrieb sich ihr mit ganzer Seele. Die Frauen standen für ihn im Mittelpunkt.
Angefangen bei seiner innig geliebten Mutter Sophia und der gestrengen »Übermutter« Lou Andreas-Salomé über die Bildhauerin Clara Westhoff bis zu der großzügigen Mäzenin Fürstin von Thurn und Taxis. In seiner neuen, meisterlich geschriebenen Biografie erzählt Heimo Schwilk von diesen Frauen und ihren Schicksalen.
Ein Buch über die Liebe – und wie sie sich in großer Dichtung vollendet.
Heimo Schwilk, geboren 1952 in Stuttgart, Dr. phil., ist Autor zahlreicher Bücher über Politik und Literatur. Seine großen Biografien über Ernst Jünger und Hermann Hesse wurden im In- und Ausland hoch gelobt. Er war lange Jahre Leitender Redakteur der Welt am Sonntag und lebt in Berlin. 1991 wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis für herausragenden Journalismus ausgezeichnet.
Heimo Schwilk
Rilke und die Frauen
Biografie eines Liebenden
‘Piper’ Taschenbuch
Piper Verlag GmbH
Mit 22 Abbildungen
EAN: 9783492308878
ISBN: 3492308872
2016
336 Seiten
kartoniert
€ 11,00
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Schlußstück
Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten
im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
Rainer Maria Rilke Gedichte
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Musik
Wüsste ich für wen ich spiele, ach!
immer könnt ich rauschen wie der Bach.
Ahnte ich, ob tote Kinder gern
tönen hören meinen innern Stern;
ob die Mädchen, die vergangen sind,
lauschend wehn um mich im Abendwind.
Ob ich einem, welcher zornig war,
leise streife durch das Totenhaar…
Denn was wär Musik, wenn sie nicht ging
weit hinüber über jedes Ding.
Sie, gewiss, die weht, sie weiss es nicht,
wo uns die Verwandlung unterbricht.
Dass uns Freunde hören, ist wohl gut -,
aber sie sind nicht so ausgeruht
wie die Andern, die man nicht mehr sieht:
tiefer fühlen sie ein Lebens-Lied,
weil sie wehen unter dem, was weht,
und vergehen, wenn der Ton vergeht.
Rainer Maria Rilke Gedichte
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Mädchenklage
Diese Neigung, in den Jahren,
da wir alle Kinder waren,
viel allein zu sein, war mild;
andern ging die Zeit im Streite,
und man hatte seine Seite,
seine Nähe, seine Weite,
einen Weg, ein Tier, ein Bild.
Und ich dachte noch, das Leben
hörte niemals auf zu geben,
daß man sich in sich besinnt.
Bin ich in mir nicht im Größten?
Will mich meines nicht mehr trösten
und verstehen wie als Kind?
Plötzlich bin ich wie verstoßen,
und zu einem Übergroßen
wird mir diese Einsamkeit,
wenn, auf meiner Brüste Hügeln
stehend, mein Gefühl nach Flügeln
oder einem Ende schreit.
Rainer Maria Rilke Gedichte
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Départ
Mon amie, il faut que je parte.
Voulez-vous voir
l’endroit sur la carte?
C’est un point noir.
En moi, si la chose
bien me réussit,
ce sera un point rose
dans un vert pays.
Aus: Poèmes et Dédicaces (1920-1926)
Rainer Maria Rilke Gedichte
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Gesang der Frauen an den Dichter
Sieh, wie sich alles auftut: so sind wir;
denn wir sind nichts als solche Seligkeit.
Was Blut und Dunkel war in einem Tier,
das wuchs in uns zur Seele an und schreit
als Seele weiter. Und es schreit nach dir.
Du freilich nimmst es nur in dein Gesicht,
als sei es Landschaft: sanft und ohne Gier.
Und darum meinen wir, du bist es nicht,
nach dem es schreit. Und doch, bist du nicht der,
an den wir uns ganz ohne Rest verlören?
Und werden wir in irgendeinem mehr?
Mit uns geht das Unendliche vorbei.
Du aber sei, du Mund, daß wir es hören,
du aber, du Uns-Sagender: du sei.
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Die Kathedrale
In jenen kleinen Städten, wo herum
die alten Häuser wie ein Jahrmarkt hocken
der sie bemerkt hat plötzlich und, erschrocken,
die Buden zumacht und, ganz zu und stumm,
die Schreier still, die Trommel angehalten,
zu ihr hinaufhorcht aufgeregten Ohrs –
dieweil sie ruhig immer in dem alten
Faltenmantel ihrer Contreforts
dasteht und von den Häusern gar nicht weiß:
in jenen kleinen Städten kannst du sehn,
wie sehr entwachsen ihrem Umgangskreis
die Kathedralen waren. Ihr Erstehn
ging über alles fort, so wie den Blick
des eignen Lebens viel zu große Nähe
fortwährend übersteigt, und als geschähe
nichts anderes; als wäre Das Geschick,
was sich in ihnen aufhäuft ohne Maßen,
versteinert und zum Dauernden bestimmt,
nicht Das, was unten in den dunkeln Straßen
vom Zufall irgendwelche Namen nimmt
und darin geht, wie Kinder Grün und Rot
und was der Krämer hat als Schürze tragen.
Da war Geburt in diesen Unterlagen,
und Kraft und Andrang war in diesem Ragen
und Liebe überall wie Wein und Brot,
und die Portale voller Liebesklagen.
Das Leben zögerte im Stundenschlagen,
und in den Türmen, welche voll Entsagen
auf einmal nicht mehr stiegen, war der Tod.
Rainer Maria Rilke Gedichte
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
L’Enfant Maudit
Je pèse sur mon lit, maman, et tout ce que j’endosse
est comme brûlé le soir; je sais que cela t’étonne
ma veste qui s’en va quand tu la brosses
et la culotte d’hier qui n’est plus bonne.
Et dis, pourquoi me faut-il tant de ruse
pour te sourire à toi qui n’est pas morte.
Mes yeux me semblent lourds: Est-ce que j’use
trame de la vie. Est-elle plus forte
autour des autres? Est-ce que je déchire
les jours trop minces par mon sang trop brusque?
Ferais-je mal aux pauvres choses jusque
lans mon sommeil qui en colère m’attire?
Aus: Ébauches et Fragments
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Der Gefangene
I
Meine Hand hat nur noch eine
Gebärde, mit der sie verscheucht;
auf die alten Steine
fällt es aus Felsen feucht.
Ich höre nur dieses Klopfen
und mein Herz hält Schritt
mit dem Gehen der Tropfen
und vergeht damit.
Tropften sie doch schneller,
käme doch wieder ein Tier.
Irgendwo war es heller -.
Aber was wissen wir.
II
Denk dir, das was jetzt Himmel ist und Wind,
Luft deinem Mund und deinem Auge Helle,
das würde Stein bis um die kleine Stelle
an der dein Herz und deine Hände sind.
Und was jetzt in dir morgen heißt und: dann
und: späterhin und nächstes Jahr und weiter –
das würde wund in dir und voller Eiter
und schwäre nur und bräche nicht mehr an.
Und das was war, das wäre irre und
raste in dir herum, den lieben Mund
der niemals lachte, schäumend von Gelächter.
Und das was Gott war, wäre nur dein Wächter
und stopfte boshaft in das letzte Loch
ein schmutziges Auge. Und du lebtest doch.
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Die Kurtisane
Venedigs Sonne wird in meinem Haar
ein Gold bereiten: aller Alchemie
erlauchten Ausgang. Meine Brauen, die
den Brücken gleichen, siehst du sie
hinführen ob der lautlosen Gefahr
der Augen, die ein heimlicher Verkehr
an die Kanäle schließt, so daß das Meer
in ihnen steigt und fällt und wechselt. Wer
mich einmal sah, beneidet meinen Hund,
weil sich auf ihm oft in zerstreuter Pause
die Hand, die nie an keiner Glut verkohlt,
die unverwundbare, geschmückt, erholt -.
Und Knaben, Hoffnungen aus altem Hause,
gehen wie an Gift an meinem Mund zugrund.
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Rainer Maria Rilke
(1875 – 1926)
Leda
Als ihn der Gott in seiner Not betrat,
erschrak er fast, den Schwan so schön zufinden;
er ließ sich ganz verwirrt in ihm verschwinden.
Schon aber trug ihn sein Betrug zur Tat,
bevor er noch des unerprobten Seins
Gefühle prüfte. Und die Aufgetane
erkannte schon den Kommenden im Schwane
und wußte schon: er bat um Eins,
das sie, verwirrt in ihrem Widerstand,
nicht mehr verbergen konnte. Er kam nieder
und halsend durch die immer schwächere Hand
ließ sich der Gott in die Geliebte los.
Dann erst empfand er glücklich sein Gefieder
und wurde wirklich Schwan in ihrem Schoß.
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