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Joachim Ringelnatz

· Joachim Ringelnatz: Zimmermädchen · Joachim Ringelnatz: Aus meiner Kinderzeit · Joachim Ringelnatz: Ab Kopenhagen · Joachim Ringelnatz: Seepferdchen · Joachim Ringelnatz: Bumerang · Joachim Ringelnatz: Aus der Vogelkunde · Joachim Ringelnatz: Trüber Tag · Joachim Ringelnatz: Kuttel Daddeldu über Nobile · Joachim Ringelnatz: Großer Vogel · Joachim Ringelnatz: Logik

Joachim Ringelnatz: Zimmermädchen

 

Zimmermädchen

Die Zimmermädchen der Hotels,
Die meine Betten schlagen und dann glätten,

Ach wenn sie doch ein wenig Ahnung hätten
Vom Unterschiede zwischen Polster und Fels.

Ach wüßtet ihr, wie süß ihr für mich ausseht
Im Arbeitskleid, ihr Engel der Hotels!

Wenn wirklich eine heimlich mit mir ausgeht,
Dann trägt sie Seide und trägt sogar Pelz,
Sei’s auch nur Wunderwandlung Hasenfells.

Dann im Café krümmt ihr beim Tasseheben
Den kleinen, roten Finger nach Manier.

Und du merkst nicht, wie gern ich doch mit dir
Oft eine Stunde möchte unmanierlich leben.

Und würde dann – nebst Geld – als Souvenir
Ein schließend, stilles, zartes Streicheln geben.

Und würdet ihr dies Streicheln doch nicht spüren.
Denn ihr bedient nur Nummern an den Türen.

Und wenn sie schlichte Ehre eng verschließen,
Dann dienen sie, da andere genießen.

Hab ich euch tausendmal in Korridoren
Heiß zugesehn und heiser angesehn,

Was ich erträumte, war voraus verloren.
Denn meine Liebe könnt ihr nicht verstehn.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Zimmermädchen

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Joachim Ringelnatz: Aus meiner Kinderzeit

 

Aus meiner Kinderzeit

Vaterglückchen, Mutterschößchen,
Kinderstübchen, trautes Heim,
Knusperhexlein, Tantchen Rös’chen,
Kuchen schmeckt wie Fliegenleim.

Wenn ich in die Stube speie,
Lacht mein Bruder wie ein Schwein.
Wenn er lacht, haut meine Schwester,
Wenn sie haut, weint Mütterlein.

Wenn die weint, muß Vater fluchen.
Wenn er flucht, trinkt Tante Wein.
Trinkt sie Wein, schenkt sie mir Kuchen:
Wenn ich Kuchen kriege, muß ich spein.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Aus meiner Kinderzeit

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Joachim Ringelnatz: Ab Kopenhagen

 

 Ab Kopenhagen

Kein Kaviar, kein’ Kokosnuß,
Kein Obst noch Weinbergschnecken –
Am Tage, da ich reisen muß,
Da will mir nichts mehr schmecken.

Lebe wohl, du schönes Kopenhagen!
Wie ist das schlimm: Entbehrlich sein.
Was kümmert dich im Grunde mein
Schweres Herz und mein leerer Magen.

Der mein Gepäck zur Bahn gebracht,
Der Mann kennt keine Tränen.
Im Gegenteil: er grüßt und lacht
Vergnügt. So sind die Dänen.

Wie stets nach dreißig Tagen
Bricht eine neue Welt entzwei.
Mich hat ein Mädchen hier umgarnt,
Ein Wunderweib! – Vorbei! Vorbei!

Nun sitz ich still im Wagen.
Jedoch ich will nicht klagen.
Vor Taschendieben wird gewarnt.
Lebe wohl, du schönes Kopenhagen.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Ab Kopenhagen

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Joachim Ringelnatz: Seepferdchen

Joachim Ringelnatz
Seepferdchen

Als ich noch ein Seepferdchen war,
Im vorigen Leben,
Wie war das wonnig, wunderbar,
Unter Wasser zu schweben.

In den träumenden Fluten
Wogte, wie Güte, das Haar
Der zierlichsten aller Seestuten,
Die meine Geliebte war.

Wir senkten uns still oder stiegen,
Tanzten harmonisch umeinand,
Ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand,
Die Wolken sich in Wolken wiegen.

Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn,
Auf daß ich ihr folge, sie hasche,
Und legte mir einmal im Ansichziehn
Eierchen in die Tasche.

Sie blickte traurig und stellte sich froh,
Schnappte nach einem Wasserfloh
Und ringelte sich
An einem Stengelchen fest und sprach so:

Ich liebe dich!
Du wieherst nicht, du äpfelst nicht,
Du trägst ein farbloses Panzerkleid
Und hast ein bekümmertes altes Gesicht,

Als wüßtest du um kommendes Leid.
Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnaß!
Wann war wohl das?

Und wer bedauert wohl später meine restlichen Knochen?
Es ist beinahe so, daß ich weine –
Lollo hat das vertrocknete, kleine
Schmerzverkrümmte Seepferd zerbrochen.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Seepferdchen

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Joachim Ringelnatz: Bumerang

 

Joachim Ringelnatz
Bumerang

War einmal ein Bumerang;
War ein weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Bumerang

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Joachim Ringelnatz: Aus der Vogelkunde

 

Joachim Ringelnatz
Aus der Vogelkunde

Ich spreche von Flugmaschinen.
Sie summen lauter als Bienen

Und sind eine Kreuzung von Taube,
Ente, Maikäfer und Schiffsschraube.

Sie nisten einzeln, paar- und gruppen-
Weise in Hallen und Schuppen.

Ich habe persönlich festgestellt:
Sie bringen lebendige Junge zur Welt,

Die wie Menschen aussehn,
Wenn sie aus ihnen herausgehn.

Auch legen sie Eier und brüten
Im Krieg. Zeus möge das künftig verhüten.

Ihre Nahrung sind Menschen, Koffer, Benzin
Und Zeitungen aus Berlin.

Sie sind über die ganze Welt
Verbreitet und sehr zahm auch in Freiheit.

Außerdem sind sie der Polizeiheit
Und der Zollbehördlichkeit unterstellt.

Volkstümlich nennt man sie schlechthin Maschinen.
Ich könnte Ihnen mit Näherem dienen,

Aber ich verlange dafür
Eine Flugzeugengebühr.

 

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Aus der Vogelkunde

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Joachim Ringelnatz: Trüber Tag

Joachim Ringelnatz
Trüber Tag

Zu Hause heulten die Frauen:
Das tote Kind sah aus wie Schnee.
Wir gingen, nur mein Bruder und ich, in See.
Dem Wetter war nicht zu trauen.
Wir fischten lauter Tränen aus dem Meer,
Das Netz war leer.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Trüber Tag

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Joachim Ringelnatz: Kuttel Daddeldu über Nobile

 

Joachim Ringelnatz
Kuttel Daddeldu
über Nobile

(Juli 1928)

So große Kerle gingen tot.
Gott weiß, was fern in höchster Not
Noch heute kämpft, vom Eis umklammert,
Für dieses Großmaul, das jetzt jammert
Um seinen angequetschten Zeh.

Wann hat ein Captain je in See
Als Erster seine Crew verlassen?!
Dem möcht ich in die Kiemen fassen!

Ach, daß sie den gerettet haben!
Er müßte, tief ins Eis gegraben,
Mit einem Lorbeerstock im Hintern,
Solang die Welt steht, überwintern.

Verflucht, ich kann nicht richtig beten,
Doch hab ich eine solche Wut.
Gott sei zu Amundsen recht gut.
Und wenn mir Nobile begegnet,
Will ich ihm das Gedärm zerkneten
Und ihn und sein ihm teures Leben
An andre Fäuste weitergeben,
So, daß er Luft und Wasser segnet.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Kuttel Daddeldu über Nobile

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Joachim Ringelnatz: Großer Vogel

 

Joachim Ringelnatz
Großer Vogel
1933

Die Nachtigall ward eingefangen,
Sang nimmer zwischen Käfigstangen.

Man drohte, kitzelte und lockte.
Gall sang nicht. Bis man die Verstockte

In tiefsten Keller ohne Licht
Einsperrte. – Unbelauscht, allein

Dort, ohne Angst vor Widerhall,
Sang sie
Nicht – –,

Starb ganz klein
Als Nachtigall.

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Großer Vogel

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Joachim Ringelnatz: Logik

 

Joachim Ringelnatz
Logik

Die Nacht war kalt und sternenklar,
Da trieb im Meer bei Norderney
Ein Suahelischnurrbarthaar. –
Die nächste Schiffsuhr wies auf drei.

Mir scheint da mancherlei nicht klar,
Man fragt doch, wenn man Logik hat,
Was sucht ein Suahelihaar
Denn nachts um drei am Kattegatt?

Joachim Ringelnatz
(1883 – 1934)
Logik

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