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EXPRESSIONISM, DADA & DE STIJL, SURREALISM

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Georg Heym: Berlin

Georg Heym

(1887-1912)

 

Berlin I

Beteerte Fässer rollten von den Schwellen

Der dunklen Speicher auf die hohen Kähne.

Die Schlepper zogen an. Des Rauches Mähne

Hing rußig nieder auf die öligen Wellen.

Zwei Dampfer kamen mit Musikkapellen.

Den Schornstein kappten sie am Brückenbogen.

Rauch, Ruß, Gestank lag auf den schmutzigen Wogen

Der Gerbereien mit den braunen Fellen.

In allen Brücken, drunter uns die Zille

Hindurchgebracht, ertönten die Signale

Gleichwie in Trommeln wachsend in der Stille.

Wir ließen los und trieben im Kanale

An Gärten langsam hin. In dem Idylle

Sahn wir der Riesenschlote Nachtfanale.

 

Berlin II

Der hohe Straßenrand, auf dem wir lagen,

War weiß von Staub. Wir sahen in der Enge

Unzählig: Menschenströme und Gedränge,

Und sahn die Weltstadt fern im Abend ragen.

Die vollen Kremser fuhren durch die Menge,

Papierne Fähnchen waren drangeschlagen.

Die Omnibusse, voll Verdeck und Wagen.

Automobile, Rauch und Huppenklänge.

Dem Riesensteinmeer zu. Doch westlich sahn

Wir an der langen Straße Baum an Baum,

Der blätterlosen Kronen Filigran.

Der Sonnenball hing groß am Himmelssaum.

Und rote Strahlen schoß des Abends Bahn.

Auf allen Köpfen lag des Lichtes Traum.

 

Berlin III

Schornsteine stehn in großem Zwischenraum

Im Wintertag, und tragen seine Last,

Des schwarzen Himmels dunkelnden Palast.

Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum.

Fern zwischen kahlen Bäumen, manchem Haus,

Zäunen und Schuppen, wo die Weltstadt ebbt,

Und auf vereisten Schienen mühsam schleppt

Ein langer Güterzug sich schwer hinaus.

Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein,

Die Toten schaun den roten Untergang

Aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein.

Sie sitzen strickend an der Wand entlang,

Mützen aus Ruß dem nackten Schläfenbein,

Zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang.

 

Georg Heym poetry

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Paul Boldt: Der Frauentod

Paul Boldt

(1885-1921)

 

DER FRAUENTOD

Der Tod umarmt mich in den warmen Frauen.

Beischlaf erregt, zersetzt die Moleküle.

Ich wandre durch Provinzen der Gefühle

Der Freude ab und komme in das Grauen.

Dich, Dirne, macht die Nacktheit antlitzschön.

Heiliges Fleisch steht auf den Knien im Haar.

Ich liege bei dir, lächelnd, am Altar,

Dem Tod entrückt auf deiner Brüste Höhen.

Aber nach den Umarmungen, nach allem

Durchscheinen jedes Fleisch die hellen Knochen.

Die Muskeln schimmern am Skelett, zerfallen.

Ich sterbe. Niemand hat zu mir gesprochen.

Irrsinnig lasse ich mich sagen, lallen,

Und fühle dich vor Blut und Brüsten kochen.

 

Paul Boldt poetry
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Die andere Seite des Mondes. Künstlerinnen der Avantgarde

art z

Die andere Seite des Mondes

Künstlerinnen der Avantgarde

K20 Grabbeplatz, Düsseldorf

bis 15.01.2012

Im Mittelpunkt der Ausstellung “Die andere Seite des Mondes” stehen acht Künstlerinnen, die in den 1920er und 1930er Jahren maßgeblich an den ästhetischen Neuerungen in Europa beteiligt waren. Durch ihr hohes künstlerisches Niveau, ihre zielstrebige Kontaktsuche […]

Kuratorin: Dr. Susanne Meyer-Büser

Hannah Höch, Siebenmeilenstiefel, um 1934, Photomontage, 22,9 x 32,29 cm, Hamburger Kunsthalle. Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2011, Foto: Christoph Irrgang. © Kunstsammlung NRW

Im Mittelpunkt der Ausstellung Die andere Seite des Mondes stehen acht Künstlerinnen, die in den 1920er und 1930er Jahren maßgeblich an den ästhetischen Neuerungen in Europa beteiligt waren. Durch ihr hohes künstlerisches Niveau, ihre zielstrebige Kontaktsuche und unbedingtes Engagement vernetzten sie sich stets im Zentrum der Avantgarde. Es sind Claude Cahun, Dora Maar, Sonia Delaunay, Florence Henri, Hannah Höch, Sophie Taeuber-Arp und die weniger bekannten Katarzyna Kobro und Germaine Dulac, deren Leben und Werke in der Ausstellung erstmals in dieser Zusammenstellung entdeckt werden können. Die Gesamtspanne der künstlerischen Arbeiten umfasst unterschiedlichste ästhetische Richtungen vom Dadaismus über den Konstruktivismus bis hin zum Surrealismus. Ebenso vielfältig sind die künstlerischen Mittel, die Malerei, Fotografie, Collage, Film und Skulptur umfassen.

Die andere Seite des Mondes wendet sich den weiblichen Pionieren der Avantgarde zu: Künstlerinnen, die frühzeitig an den Bewegungen ihrer Zeit teilgenommen und die zur Begründung und Verbreitung neuer Stilrichtungen beigetragen haben. Beispielhaft für diese Riege der Pionierinnen steht Sophie Taeuber-Arp (1889-1943).

Zum Kreis dieser einflussreichen und kommunikativen Künstlerinnen zählen ebenso Hannah Höch (1889-1978), die mit ihren Collagen zu den Begründern des Berliner Dadaismus gehörte, sowie Sonia Delaunay (1885-1979). Sie bereitet in Paris den Weg zur reinen Malerei und revolutioniert die Modeindustrie mit einem eigenen Label.

Fast alle der vorgestellten Künstlerinnen waren zeitweise eng miteinander befreundet, andere kannten sich indirekt durch ihre Werke. Die Wege, Querverbindungen, wechselnden Freundschaften und temporären Paarbildungen – kurz: die europaweiten Netzwerke dieser Künstlerinnen – sollen in den rund 220 Werken der Ausstellung sichtbar und erfahrbar werden.

Sophie Taeuber-Arp, Composition à forme „U“ (Komposition mit U-Form), 1918, Collage, Aquarell und Gouache, 24,8 x 25,8 cm, Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V., Remagen-Rolandswerth. Foto: © PRO LITTERIS, Zürich / VG Bild-Kunst, Bonn 2011 © Kunstsammlung NRW

Die Ausstellung ist gemacht in Kooperation mit dem Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark. Es gibt ein Katalog im DuMont-Verlag.

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Paul Bold: 2 Gedichte

Paul Boldt

(1885-1921)

 

AUF DER CHAISELONGUE

Wir haben nicht der Sonne Sympathien.

Und man verspricht sich zwecklos in Gebeten.

Die Negerin, das Pferd und den Ästheten

Frißt Erde auf. Sie können nicht entfliehn.

Gott ist der Freund der Bäume und der Sterne.

Im Hochgebirge wilde Tannen schreien.

Orion hängt über dem All im Freien.

Monumental. Maßlos. In tauber Ferne.

Im Hirn Gelächter. Ich sprach: die Freiheit!! –

Das Weib ist populär. Der Koitus.

Das wadenwarme Bett. Man friert und freit. –

Gefüllt mit Zähnen ist zuletzt der Kuß. –

Komm du doch, Freund, verkürze mir die Zeit,

Mein fröhlich lärmender Revolverschuß.

 

MONOGAMIE

Fleisch. Es bewegt sich mit Blutschatten,

Und es versickert in zehn Tropfen Zehen.

Laß dich von meinen Seelenaugen sehen!

Sag etwas! Gattin, nenn mich deinen Gatten.

Die Küsse schlagen mich! Etwas Allmacht

Ist doch in den Anhäufungen von Armen.

Wie Kameraden liegen wir im warmen

Biwak der Herzen diese Fleischesnacht.

Wenn mir der Morgen in die Haare saust,

Schläfst du bei mir vom Mund bis an die Zehen.

Wir sind gottlos. Nur unser Herz verehrend.

Ein Löwenpaar, das unter Sternen haust.

Einer des andern große Stärke mehrend.

Wir sterben nicht. Das kann uns nicht geschehen.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: Freundin Hörerin

Paul Boldt
(1885-1921)

 

FREUNDIN HÖRERIN

Die Gegenwart der Nacht macht alles schlimmer.

Die Phantasien der Lust entlaufen schnöde,

Die Uhr schreit häßlich in der Herzeinöde,

Ins Zimmer fliegen die früheren Zimmer.

Unter die Stirne flieht die Gliederherde.

Im Mund weißkleinen Zähnelichtes schreit es,

Und Schrecken wächst im Antlitz wie ein zweites:

Ach, ach, es friert über mich hin aus Erde.

Und das Bewußtsein glaubt noch nicht einmal

Der chemischen Erlösung von dem Leide.

Das Antlitz abgestreift an eine Weide,

Mit Felderarmen liegen wir im Tal.

Ich mußte haltlos altern aus der Jugend

In dieser weißen, häuserigen Stadt.

Auf krummem Himmel frei zu stehen matt,

Den Schädel in die Martermauern fugend.

Im Himmelsgrund voll Schatten, Wind und Straße

Erscheinen wir, die sich bewegend tun.

Aus Augen fliegt über den dunklen Schuhn

Der Regenbogen durch die Antlitzmasse.

Antlitze kommen auf in dem Tierhaar,

Die Einzelaugen an die meinen spülend.

Und ein Gesicht, Auswuchs der Seele, fühlend

Einschwebte Stirn zur Stirne, scheues Paar.

Wir arbeiten. Mich freut es, dich zu sehn

Freundinnenlippenrot, anthropomorph.

Wir bauen in die Stadt uns kleines Dorf

Schädelblut-Häuser und Arme-Alleen.

Das Herz geht in den Händen hin und her.

Die Augen füllen sich an einem Strahl,

Mit Bäumebildern, Städten an dem Meer.

Der Strahl ist aus der Sonne, Tag geheißen.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: 2 Gedichte

Paul Boldt

(1885-1921)

 

ADIEU MÄDCHENLACHEN!

Sie nehmen Abschied, werden nicht vergessen

Die Wege, die sie jetzt gehn – du und ich,

Zwei Lächeln nur, mit denen sich

Apokalyptische Gesichte messen.

O fälschte doch mein sicheres Gesicht!

Die Furcht läuft in die Zukunft und sieht mutig,

Da liegst du, abgeküßt und schenkelblutig:

– Mein Hirn bellt auf – brautnackt im Ampellicht.

Die Schmerzen beißen in das Hirn hinein.

Was martert, mordet nicht mein wilder Freisinn!

O meine Mutter, weißhändige Greisin,

Nimm mich zurück ins Nichtgeborensein!

 

NACH DER NACHT

Laternen, die den Regenabend führen,

Haben die Stadt, die glänzende, verraten.

Eiweißer Eiter tropft im Lichteratem

Der Friedrichstraße, wo sich Dirnen rühren.

Die Augen kriechen aus den Faltenlidern

Und spritzen einen Blick, der dich begießt.

Sie lachen sich das Kleid vom Bauch; du siehst

Die Brüste – Krötenbäuche in den Miedern.

Du flohst, und Vögel sangen für dich junitags.

Der Morgen senkte sich in dein Gesicht.

Es schlugen Uhren an, weckten das Licht.

Doggengebell des Turmuhrstundenschlags.

Du öffnest deinen Mund, der ist lichtzahnig.

O Wanderungen im Gestein der Stadt!

O Röcheln, Schreie, seelenquälend Rad! –

Es sprudelt aus der Morgenröte sahnig.

Du schweigst. Hinter den dunklen Augen ruht

Das Hirn vom Krampf der tötenden Arsene.

Du lächelst, blickst – und da betritt die Szene

Die Sonne, jugendlich, im Wolkenhut.

 

Paul Boldt poetry

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Paul van Ostaijen: Huldegedicht aan Singer

Paul van Ostaijen

(1896-1928)

 

HULDEGEDICHT AAN SINGER

 

Slinger

Singer

naaimasjien

Hoort

Hoort

Floris jespers heeft een Singernaaimasjien gekocht

Wat

Wat

jawel

Jespers Singer naaimasjien

hoe zo

jawel

ik zeg het u

Floris jespers heeft een Singernaaimasjien gekocht

Waarom

waardoor

wat wil hij

Jawel

hij zal

hoe zo

Circulez

want


SINGERS NAAIMASJIEN IS DE BESTE

 

de beste

waarom

hoe kan dat

wie weet

alles is schijn

Singer en Sint Augustinus

Genoveva van Brabant

bezit ook een Singer

die jungfrau von Orleans

Een Singer?

jawel

jawel jawel jawel ik zeg het u een Singer

versta-je geen nederlands mijnheer

Circulez

Bitte auf Garderobe selbst zu achten

lk wil een naaimasjien

iedereen heeft recht op een naalmasjien

ik wil een Singer

iedereen een Singer

Singer

zanger

meesterzangers

Hans Sachs

heeft Hans Sachs geen Singermasjien

waarom heeft Hans Sachs geen Singer

Hans Sachs heeft recht op een Singer

Hans Sachs moet een Singer hebben

Jawel

dat is zijn recht

Recht door zee

Leve Hans Sachs

Hans Sachs heeft gelijk

hij heeft recht op

 

SINGERS NAAIMASJIEN IS DE BESTE

 

alle mensen zijn gelijk voor Singer

Circulez

een Singer

Panem et Singerem

 

Panem et Singerem P a n e m et S i n g e r e m PANEM ET SINGEREM

 

e t S i n g e r e m e t S i n g e r e m

 

Ik wil een Singer

wij willen een Singer

wij eisen een Singer

wat wij willen is ons recht

ein fester Burg ist unser Gott

 

Panem et Singerem P a n e m et S i n g e r e m PANEM ET SINGEREM

 

e t S i n g e r e m e t S i n g e r e m

 

Waarom

hoe zo

wat wil hij

wat zal hij

Salvation army

Bananas atque Panama

de man heeft gelijk

hij heeft gelijk

gelijk heeft hij jawel

jawel

jawel

waarom

wie zegt dat

waar is het bewijs

jawel hij heeft gelijk

 

Panem et Singerem P a n e m et S i n g e r e m PANEM ET SINGEREM

 

e t S i n g e r e m e t S i n g e r e m

 

SINGERS NAAIMASJIEN IS DE BESTE

 

Paul van Ostaijen poetry

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Paul van Ostaijen: Berceuse Presque Negre

Paul van Ostaijen

(1896-1928)

 

Berceuse Presque Negre

 

De sjimpansee doet niet mee

Waarom doet de sjimpansee niet mee

De sjimpansee

is

ziek van de zee

Er gaat zoveel water in de zee

Meent de sjimpansee

 

Paul van Ostaijen poetry

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Paul Boldt: 3 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

FRAUEN IN DEN STRASSEN

Die Schenkelschweife an den Rippen.

Kopfhaft und wie ein Kuß gebaut,

Gleitest du dunkle Unterhaut

Seele: du Blutgestalt mit Lippen.

Der Tag voll Nase, Auge, Zopf

Hat die Magie, mich zu verwirren.

Schönheit zerreißt uns an der Stirn.

– Seele küsse mich an den Kopf!

Die Hände, deine Geberinnen,

Ein Erdlachen oder den Schrei.

Ich habe deiner Hände zwei

Verschluckt, oder du machst mich innen

 

FRAUENFEUER

Die Frauenfeuer, so strahlende Augen.

Das Ornament der Schädel ist symmetrisch.

Das Auge vor dem Hirn blinzelt verrätrisch:

Schön ist das Fleisch beleuchtet von den Augen.

Im Jahresdurst. Kein Schrei verläßt das Hirn.

Auf unsern Lippen stumm leuchten sie nackend.

Der Mann stürzt vorwärts mit den Armen packend.

Sein Antlitz krümmt der Schmerz in einen Stern

Aus strengem Licht. Sie aber haben Charme.

Wie Nackende das Lächeln anbehält,

So daß es ihr über die Brüste fällt.

Und folterkräftig ist die Nackte warm

Neben den armen Nackenden gestellt.

Die Fingerglut des Nackten an dem Arm.

 

BADENDE MÄDCHEN

Einmal gezeugt. Aus Haar und Zehenspitze

Fliegen die Rücken, Knie, Bäuche, Nacken.

Und händchengroß entfliegen rote Backen.

Der Antlitzstern zerfliegt in Handantlitze.

Zu der Figur flattern hinaus Neufrauen.

Das Licht zerstreut Bauch-Bild und Brüstefältchen.

Im Sand beisammen leuchtet Muskelwälchen,

Zopf – Zoppot, jung mit Näbeln, Kinn, mit Brauen.

 

Paul Boldt: Junge Pferde! Junge Pferde!

Olten und Freiburg im Breisgau 1979


Paul Boldt poetry

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Hans Hermans photos; Christian Morgenstern poem

Traumwald

 

Des Vogels Aug verschleiert sich;

er sinkt in Schlaf auf seinem Baum.

Der Wald verwandelt sich in Traum

und wird so tief und feierlich.

 

Der Mond, der stille, steigt empor:

Die kleine Kehle zwitschert matt.

Im ganzen Walde schwingt kein Blatt.

Fern läutet, fern, der Sterne Chor.

 

Christian Morgenstern

(1871-1914)

Hans Hermans Natuurdagboek

Poem Christian Morgenstern

Photos Hans Hermans

March 2011

♦ Website Hans Hermans

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Paul Boldt: CAPRICCIO

Paul Boldt
(1885-1921)

 

CAPRICCIO

Entlaubte Parke liegen treu wie Doggen
Hinter den Herrenhäusern, um zu wachen.
Schneestürme weiden, eine Herde Bachen.
Oft sind die Rehe auf dem jungen Roggen.

Und eine Wolke droht den Mond zu schänden.
Die Nacht hockt auf dem Park, der stärker rauscht.
Zwei alte Tannen winken, aufgebauscht,
Geheimnisvoll mit den harzigen Händen.

Die Toten sitzen in den nassen Nischen.
Auf einem Kirchenschlüssel bläst der eine,
Und alle lauschen, überkreuzte Beine,
Die Knochenhände eingeklemmt dazwischen.

Am großen, kalten Winterhimmel drohn
Vier Wolken, welche Pferdeschädeln gleichen.
Der Winde Brut pfeift in den hellen Eichen,
Daraus der gelbe Geier Mond geflohn.

Der Tod im Garten tritt jetzt aus dem Schatten
Der Tannen. Rasch. Das Schneelicht spritzt und glänzt.
Der Schrecken flattert breit um das Gespenst,
Das seinen Weg nimmt quer durch die Rabatten.

Zum Schloß. — Dort ruft man: „Prosit Neujahr! Prost!“
Zu zwölfen sind sie, der Apostel Schar,
Und mit Champagner taufen sie das Jahr,
Umstellt vom Sturm, der auf den Dächern tost.

Armleuchter flacken. Dampf von heißem Punsch.
Der Hitze Salven krachen vom Kamin.
Geruch der Weiber — Trimethylamin,
Die Bäuche schwitzen in der großen Brunst.

Jetzt stehn sie auf. Das Stühlerücken schurrt.
Der Tod im Flur ist nicht gewohnt die Speisen.
Er hebt den Kopf gegen das kalte Eisen
Der Schlüsseltülle, schnuppert gierig, knurrt.

Kommt jemand? Still. Er hupft unter die Treppe.
An einem Fräulein zerrt ein Kavalier.
Der Tod schleicht hinterher, ein fletschend Tier
Aus Mond; das trägt der Dame Schleppe.

Sie kommen an die Gruft —: „Hier sind wir sicher!“
— „Ich fürchte mich, oh, sind die Bäume groß!“
Der Tod schupst sie — kein Schrei, sie quieken bloß —
Und läuft hinweg mit heftigem Gekicher. — —

Es dämmert endlich. Mit Blutaugen stiert
Der Morgen hin. Im Saal zappelt ein Märchen.
Der Tod wühlt in den fetten, welken Pärchen,
Frißt sie wie Trüffeln, die ein Schwein aufspürt.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: 3 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

LIEBESMORGEN

Aus dem roten, roten Pfühl

Kriecht die Sonne auf die Dielen,

Und wir blinzeln nur und schielen

Nach uns, voller Lichtgefühl.

Wie die Rosa-Pelikane,

Einen hellen Fisch umkrallend,

Rissen unsere Lippen lallend

Kuß um Kuß vom weißen Zahne.

Und nun, eingerauscht ins weiche

Nachgefühl der starken Küsse,

Liegen wir wie junge Flüsse

Eng umsonnt in einem Teiche.

Und wir lächeln gleich Verzückten;

Lachen gibt der Garten wieder,

Wo die jungen Mädchen Flieder,

Volle Fäuste Flieder pflückten.

 

MEIN FEBRUARHERZ

Als trügen Frauen in den Straußenfedern

Das junge Licht wie eine weiße Fahne,

Gehörten alle Häuser reichen Reedern

Und wären Schiffe, schwimmt um die Altane

Die blaue Luft! Oh, jetzt in einem Kahne

Auf Wassern fahren, süßen Morgennebeln

Entgegensteuern, gleich dem leisen Schwane

Die Wellen teilend mit den schwarzen Hebeln!

Geh in die Leipzigerstraße! Geh ins Freie!

Schön ist die Wollust! Gott ein guter Junge.

Die Dirnen sommern brünstiger als Haie!

Ich habe Geld! Ich bin so schön im Schwunge.

Sonette aus Sonne kitzeln mir die Zunge!

In meiner Kehle sammeln sich die Schreie!

 

ABENDAVENUE

Die Straße ist von Klängen überstrahlt,

Bewachsen von Phantasmen des Geruches,

Und Hüften in den Hülsen blauen Tuches,

Das aller Schritt zu Reiz zermalmt und mahlt.

Die Dirnen kommen, knarrend, Wollustfuder,

Und Bürgermädchen, die mit Reizen knausern;

Jungfräulein die, und andern, die schon mausern,

Gleitet ein Scharlachlächeln in den Puder.

Teufel! Wir werden wie die Pelikane

– Wenn diese Mädchen uns mit Blicken füttern,

Gierig nach den Konturen und Profilen,

Die alle kommen, einzeln, momentane,

Und aus den fetten Rücken, aus den Müttern,

Bisweilen leise nach uns Jungen schielen.

 

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