Or see the index
Zu Neujahr
Will das Glück nach seinem Sinn
Dir was Gutes schenken,
Sage Dank und nimm es hin
Ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüßt,
Doch vor allen Dingen:
Das, worum du dich bemühst,
Möge dir gelingen.
Wilhelm Busch
(1832 – 1908)
Deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller
(Quelle: Wilhelm Busch Gedichte. Schein und Sein, 1909)
• fleursdumal.nl magazine
More in: Archive A-B, Archive A-B, CLASSIC POETRY, Galerie Deutschland, Wilhelm Busch
Wilhelm Busch
(1832-1908)
Lieder eines Lumpen
1.
Als ich ein kleiner Bube war,
War ich ein kleiner Lump;
Zigarren raucht’ ich heimlich schon,
Trank auch schon Bier auf Pump.
Zur Hose hing das Hemd heraus,
Die Stiefel lief ich krumm,
Und statt zur Schule hinzugehn,
Strich ich im Wald herum.
Wie hab ich’s doch seit jener Zeit
So herrlich weit gebracht! –
Die Zeit hat aus dem kleinen Lump
‘nen grossen Lump gemacht.
2.
Der Mond und all die Sterne,
Die scheinen in der Nacht,
Hinwiederum die Sonne
Bei Tag am Himmel lacht.
Mit Sonne, Mond und Sternen
Bin ich schon lang vertraut!
Sie scheinen durch den Ärmel
Mir auf die blosse Haut.
Und was ich längst vermutet,
Das wird am Ende wahr:
Ich krieg’ am Ellenbogen
Noch Sommersprossen gar.
3.
Ich hatt’ einmal zehn Gulden! –
Da dacht’ ich hin und her,
Was mit den schönen Gulden
Nun wohl zu machen wär’.
Ich dacht’ an meine Schulden,
Ich dacht’ ans Liebchen mein,
Ich dacht’ auch ans Studieren,
Das fiel zuletzt mir ein.
Zum Lesen und Studieren,
Da muss man Bücher han,
Und jeder Manichäer
Ist auch ein Grobian;
Und obendrein das Liebchen,
Das Liebchen fromm und gut,
Das quälte mich schon lange
Um einen neuen Hut.
Was soll ich Ärmster machen?
Ich wusst nicht aus noch ein. –
Im Wirtshaus an der Brucken,
Da schenkt man guten Wein.
Im Wirtshaus an der Brucken
Sass ich den ganzen Tag,
Ich sass wohl bis zum Abend
Und sann den Dingen nach.
Im Wirtshaus an der Brucken,
Da wird der Dümmste Klug;
Des Nachts um halber zwölfe,
Da war ich klug genug.
Des Nachts um halber zwölfe
Hub ich mich von der Bank
Und zahlte meine Zeche
Mit zehen Gulden blank.
Ich zahlte meine Zeche,
Da war mein Beutel leer. –
Ich hatt’ einmal zehn Gulden,
Die hab’ ich jetzt nicht mehr.
4.
Im Karneval, da hab’ ich mich
Recht wohlfeil amüsiert,
Denn von Natur war ich ja schon
Fürtrefflich kostümiert.
Bei Maskeraden konnt’ ich so
Passieren frank und frei;
Man meinte am Entree, dass ich
Charaktermaske sei.
Recht unverschämt war ich dazu
Noch gegen jedermann
Und hab’ aus manchem fremden Glas
Manch tiefen Zug getan.
Darüber freuten sich die Leut
Und haben recht gelacht,
Dass ich den echten Lumpen so
Natürlich nachgemacht.
Nur einem groben Kupferschmied,
Dem macht’ es kein Pläsier,
Dass ich aus seinem Glase trank-
Er warf mich vor die Tür.
5.
Von einer alten Tante
Ward ich recht schön bedacht:
Sie hat fünfhundert Gulden
Beim Sterben mir vermacht..
Die gute alte Tante! –
Fürwahr, ich wünschte sehr,
Ich hätt’ noch mehr der Tanten
Und – hätt’ sie bald nicht mehr!
6.
Ich bin einmal hinausspaziert,
Hinaus wohl vor die Stadt.
Da kam es, dass ein Mädchen mir
Mein Herz gestohlen hat.
Ihr Aug war blau, ihr Mund war rot,
Blondlockig war ihr Haar. –
Mir tat’s in tiefster Seele weh,
Dass solch ein Lump ich war.
7.
Seit ich das liebe Mädchen sah,
War ich wie umgewandt,
Es hätte mich mein bester Freund
Wahrhaftig nicht gekannt.
Ich trug, fürwahr, Glacéhandschuh,
Glanzstiefel, Chapeau claque,
Vom feinsten Schnitt war das Gilet
Und magnifik der Frack.
Vom Fusse war ich bis zum Kopf
Ein Stutzer comme il faut,
Ich war, was mancher andre ist,
Ein Lump, inkognito.
8.
Was tat ich ihr zuliebe nicht!
Zum erstenmal im Leben
Hab’ ich mich neulich ihr zulieb
Auf einen Ball begeben.
Sie sah wie eine Blume aus
In ihrer Krinolinen,
Ich bin als schwarzer Käfer mir
In meinem Frack erschienen.
Für einen Käfer – welche Lust,
An einer Blume baumeln!
Für mich – welch Glück an ihrer Brust
Im Tanz dahinzutaumeln!
Doch ach! Mein schönes Käferglück,
Das war von kurzer Dauer;
Ein kläglich schnödes Missgeschick
Lag heimlich auf der Lauer.
Denn weiss der Teufel, wie’s geschah,
Es war so glatt im Saale –
Ich rutschte – und so lag ich da
Rumbums! Mit einem Male.
An ihrem seidenen Gewand
Dacht’ ich mich noch zu halten. –
Ritsch, ratsch! Da hielt ich in der Hand
Ein halbes Dutzend Falten.
Sie floh entsetzt. – Ich armer Tropf,
Ich meint’, ich müsst’ versinken,
Ich kratzte mir beschämt den Kopf
Und tät beiseite hinken.
9.
Den ganzen noblen Plunder soll,
Den soll der Teufel holen!
Ein Leutnant von der Garde hat
Mein Liebchen mir gestohlen.
Du neuer Hut, du neuer Frack,
Ihr müsst ins Pfandhaus wandern.
Ich selber sitz’ im Wirtshaus nun
Von einem Tag zum andern.
Ich sitz’ und trinke aus Verdruss
Und Ärger manchen Humpen.
Die Lieb, die mich solid gemacht,
Die macht mich nun zum Lumpen;
Und wem das Lied gefallen hat,
Der lasse sich nicht lumpen;
Der mög dem Lumpen, der es sang,
Zum Dank – ‘n Gulden pumpen.
Wilhelm Busch poetry
fleursdumal.nl magazine
More in: Archive A-B, Archive A-B, CLASSIC POETRY, Wilhelm Busch
Wilhelm Busch
(1832-1908)
Summa summarum
Sag, wie wär es, alter Schragen,
Wenn du mal die Brille putztest,
Um ein wenig nachzuschlagen,
Wie du deine Zeit benutztest.
Oft wohl hätten dich so gerne
Weiche Arme weich gebettet;
Doch du standest kühl von ferne,
Unbewegt, wie angekettet.
Oft wohl kam’s, daß du die schöne
Zeit vergrimmtest und vergrolltest,
Nur weil diese oder jene
Nicht gewollt, so wie du wolltest.
Demnach hast du dich vergebens
Meistenteils herumgetrieben;
Denn die Summe unsres Lebens
Sind die Stunden, wo wir lieben.
Wilhelm Busch poetry
fleursdumal.nl magazine
More in: Archive A-B, Archive A-B, CLASSIC POETRY, Galerie Deutschland, Wilhelm Busch
Thank you for reading Fleurs du Mal - magazine for art & literature