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Grabgesang
Vor des Friedhofs dunkler Pforte
Bleiben Leid und Schmerzen stehn,
Dringen nicht zum heil’gen Orte,
Wo die sel’gen Geister gehn,
Wo nach heißer Tage Glut
Unser Freund in Frieden ruht.
Zu des Himmels Wolkentoren
Schwang die Seele sich hinan,
Fern von Schmerzen, neu geboren,
Geht sie auf — die Sternenbahn;
Auch vor jenen heil’gen Höhn
Bleiben Leid und Schmerzen stehn.
Sehnsucht gießet ihre Zähren
Auf den Hügel, wo er ruht;
Doch ein Hauch aus jenen Sphären
Füllt das Herz mit neuem Mut;
Nicht zur Gruft hinab — hinan,
Aufwärts ging des Freundes Bahn.
Drum auf des Gesanges Schwingen
Steigen wir zu ihm empor,
Unsre Trauertöne dringen
Aufwärts zu der Sel’gen Chor,
Tragen ihm in stille Ruh’
Unsre letzten Grüße zu.
Wilhelm Hauff
(1802 – 1827)
Grabgesang, Gedicht
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Der Kranke
Zitternd auf der Berge Säume
Fällt der Sonne letzter Strahl,
Eingewiegt in düstre Träume
Blickt der Kranke in das Tal,
Sieht der Wolken schnelles Jagen
Durch das trübe Dämmerlicht —
Ach, des Busens stille Klagen
Tragen ihn zur Heimat nicht!
Und mit glänzendem Gefieder
Zog die Schwalbe durch die Luft,
Nach der Heimat zog sie wieder,
Wo ein milder Himmel ruft;
Und er hört ihr fröhlich Singen,
Sehnsucht füllt des Armen Blick,
Ach, er sah sie auf sich schwingen,
Und sein Kummer bleibt zurück.
Schöner Fluß mit blauem Spiegel,
Hörst du seine Klagen nicht?
Sag’ es seiner Heimat Hügel,
Daß des Kranken Busen bricht.
Aber kalt rauscht er vom Strande
Und entrollt ins stille Tal,
Schweiget in der Heimat Lande
Von des Kranken stiller Qual.
Und der Arme stützt die Hände
An das müde, trübe Haupt;
Eins ist noch, wohin sich wende
Der, dem aller Trost geraubt;
Schlägt das blaue Auge wieder
Mutig auf zum Horizont,
Immer stieg ja Trost hernieder
Dorther, wo die Liebe wohnt.
Und es netzt die blassen Wangen
Heil’ger Sehnsucht stiller Quell,
Und es schweigt das Erdverlangen,
Und das Auge wird ihm hell:
Nach der ew’gen Heimat Lande
Strebt sein Sehnen kühn hinauf,
Sehnsucht sprengt der Erde Bande,
Psyche schwingt zum Licht sich auf.
Wilhelm Hauff
(1802 – 1827)
Der Kranke, Gedicht
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An Emilie
Zum Garten ging ich früh hinaus,
Ob ich vielleicht ein Sträußchen finde?
Nach manchem Blümchen schaut’ ich aus,
Ich wollt’s für dich zum Angebinde;
Umsonst hatt’ ich mich hinbemüht,
Vergebens war mein freudig Hoffen;
Das Veilchen war schon abgeblüht,
Von andern Blümchen keines offen.
Und trauernd späht’ ich her und hin,
Da tönte zu mir leise, leise
Ein Flüstern aus der Zweige Grün,
Gesang nach sel’ger Geister Weise;
Und lieblich, wie des Morgens Licht
Des Tales Nebelhüllen scheidet,
Ein Röschen aus der Knospe bricht,
Das seine Blätter schnell verbreitet.
»Du suchst ein Blümchen?« spricht’s zu mir,
»So nimm mich hin mit meinen Zweigen,
Bring mich zum Angebinde ihr!
Ich bin der wahren Freude Zeichen.
Ob auch mein Glanz vergänglich sei,
Es treibt aus ihrem treuen Schoße
Die Erde meine Knospen neu,
Drum unvergänglich ist die Rose.
Und wie mein Leben ewig quillt
Und Knosp’ um Knospe sich erschließet,
Wenn mich die Sonne sanft und mild
Mit ihrem Feuerkuß begrüßet,
So deine Freundin ewig blüht,
Beseelt vom Geiste ihrer Lieben,
Denn ob der Rose Schmelz verglüht —
Der Rose Leben ist geblieben.«
Wilhelm Hauff
(1802 – 1827)
An Emilie, Gedicht
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