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Expressionism

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Paul Boldt: Freundin Hörerin

Paul Boldt
(1885-1921)

 

FREUNDIN HÖRERIN

Die Gegenwart der Nacht macht alles schlimmer.

Die Phantasien der Lust entlaufen schnöde,

Die Uhr schreit häßlich in der Herzeinöde,

Ins Zimmer fliegen die früheren Zimmer.

Unter die Stirne flieht die Gliederherde.

Im Mund weißkleinen Zähnelichtes schreit es,

Und Schrecken wächst im Antlitz wie ein zweites:

Ach, ach, es friert über mich hin aus Erde.

Und das Bewußtsein glaubt noch nicht einmal

Der chemischen Erlösung von dem Leide.

Das Antlitz abgestreift an eine Weide,

Mit Felderarmen liegen wir im Tal.

Ich mußte haltlos altern aus der Jugend

In dieser weißen, häuserigen Stadt.

Auf krummem Himmel frei zu stehen matt,

Den Schädel in die Martermauern fugend.

Im Himmelsgrund voll Schatten, Wind und Straße

Erscheinen wir, die sich bewegend tun.

Aus Augen fliegt über den dunklen Schuhn

Der Regenbogen durch die Antlitzmasse.

Antlitze kommen auf in dem Tierhaar,

Die Einzelaugen an die meinen spülend.

Und ein Gesicht, Auswuchs der Seele, fühlend

Einschwebte Stirn zur Stirne, scheues Paar.

Wir arbeiten. Mich freut es, dich zu sehn

Freundinnenlippenrot, anthropomorph.

Wir bauen in die Stadt uns kleines Dorf

Schädelblut-Häuser und Arme-Alleen.

Das Herz geht in den Händen hin und her.

Die Augen füllen sich an einem Strahl,

Mit Bäumebildern, Städten an dem Meer.

Der Strahl ist aus der Sonne, Tag geheißen.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: 2 Gedichte

Paul Boldt

(1885-1921)

 

ADIEU MÄDCHENLACHEN!

Sie nehmen Abschied, werden nicht vergessen

Die Wege, die sie jetzt gehn – du und ich,

Zwei Lächeln nur, mit denen sich

Apokalyptische Gesichte messen.

O fälschte doch mein sicheres Gesicht!

Die Furcht läuft in die Zukunft und sieht mutig,

Da liegst du, abgeküßt und schenkelblutig:

– Mein Hirn bellt auf – brautnackt im Ampellicht.

Die Schmerzen beißen in das Hirn hinein.

Was martert, mordet nicht mein wilder Freisinn!

O meine Mutter, weißhändige Greisin,

Nimm mich zurück ins Nichtgeborensein!

 

NACH DER NACHT

Laternen, die den Regenabend führen,

Haben die Stadt, die glänzende, verraten.

Eiweißer Eiter tropft im Lichteratem

Der Friedrichstraße, wo sich Dirnen rühren.

Die Augen kriechen aus den Faltenlidern

Und spritzen einen Blick, der dich begießt.

Sie lachen sich das Kleid vom Bauch; du siehst

Die Brüste – Krötenbäuche in den Miedern.

Du flohst, und Vögel sangen für dich junitags.

Der Morgen senkte sich in dein Gesicht.

Es schlugen Uhren an, weckten das Licht.

Doggengebell des Turmuhrstundenschlags.

Du öffnest deinen Mund, der ist lichtzahnig.

O Wanderungen im Gestein der Stadt!

O Röcheln, Schreie, seelenquälend Rad! –

Es sprudelt aus der Morgenröte sahnig.

Du schweigst. Hinter den dunklen Augen ruht

Das Hirn vom Krampf der tötenden Arsene.

Du lächelst, blickst – und da betritt die Szene

Die Sonne, jugendlich, im Wolkenhut.

 

Paul Boldt poetry

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Paul Boldt: 3 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

FRAUEN IN DEN STRASSEN

Die Schenkelschweife an den Rippen.

Kopfhaft und wie ein Kuß gebaut,

Gleitest du dunkle Unterhaut

Seele: du Blutgestalt mit Lippen.

Der Tag voll Nase, Auge, Zopf

Hat die Magie, mich zu verwirren.

Schönheit zerreißt uns an der Stirn.

– Seele küsse mich an den Kopf!

Die Hände, deine Geberinnen,

Ein Erdlachen oder den Schrei.

Ich habe deiner Hände zwei

Verschluckt, oder du machst mich innen

 

FRAUENFEUER

Die Frauenfeuer, so strahlende Augen.

Das Ornament der Schädel ist symmetrisch.

Das Auge vor dem Hirn blinzelt verrätrisch:

Schön ist das Fleisch beleuchtet von den Augen.

Im Jahresdurst. Kein Schrei verläßt das Hirn.

Auf unsern Lippen stumm leuchten sie nackend.

Der Mann stürzt vorwärts mit den Armen packend.

Sein Antlitz krümmt der Schmerz in einen Stern

Aus strengem Licht. Sie aber haben Charme.

Wie Nackende das Lächeln anbehält,

So daß es ihr über die Brüste fällt.

Und folterkräftig ist die Nackte warm

Neben den armen Nackenden gestellt.

Die Fingerglut des Nackten an dem Arm.

 

BADENDE MÄDCHEN

Einmal gezeugt. Aus Haar und Zehenspitze

Fliegen die Rücken, Knie, Bäuche, Nacken.

Und händchengroß entfliegen rote Backen.

Der Antlitzstern zerfliegt in Handantlitze.

Zu der Figur flattern hinaus Neufrauen.

Das Licht zerstreut Bauch-Bild und Brüstefältchen.

Im Sand beisammen leuchtet Muskelwälchen,

Zopf – Zoppot, jung mit Näbeln, Kinn, mit Brauen.

 

Paul Boldt: Junge Pferde! Junge Pferde!

Olten und Freiburg im Breisgau 1979


Paul Boldt poetry

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Hans Hermans photos; Christian Morgenstern poem

Traumwald

 

Des Vogels Aug verschleiert sich;

er sinkt in Schlaf auf seinem Baum.

Der Wald verwandelt sich in Traum

und wird so tief und feierlich.

 

Der Mond, der stille, steigt empor:

Die kleine Kehle zwitschert matt.

Im ganzen Walde schwingt kein Blatt.

Fern läutet, fern, der Sterne Chor.

 

Christian Morgenstern

(1871-1914)

Hans Hermans Natuurdagboek

Poem Christian Morgenstern

Photos Hans Hermans

March 2011

♦ Website Hans Hermans

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Paul Boldt: CAPRICCIO

Paul Boldt
(1885-1921)

 

CAPRICCIO

Entlaubte Parke liegen treu wie Doggen
Hinter den Herrenhäusern, um zu wachen.
Schneestürme weiden, eine Herde Bachen.
Oft sind die Rehe auf dem jungen Roggen.

Und eine Wolke droht den Mond zu schänden.
Die Nacht hockt auf dem Park, der stärker rauscht.
Zwei alte Tannen winken, aufgebauscht,
Geheimnisvoll mit den harzigen Händen.

Die Toten sitzen in den nassen Nischen.
Auf einem Kirchenschlüssel bläst der eine,
Und alle lauschen, überkreuzte Beine,
Die Knochenhände eingeklemmt dazwischen.

Am großen, kalten Winterhimmel drohn
Vier Wolken, welche Pferdeschädeln gleichen.
Der Winde Brut pfeift in den hellen Eichen,
Daraus der gelbe Geier Mond geflohn.

Der Tod im Garten tritt jetzt aus dem Schatten
Der Tannen. Rasch. Das Schneelicht spritzt und glänzt.
Der Schrecken flattert breit um das Gespenst,
Das seinen Weg nimmt quer durch die Rabatten.

Zum Schloß. — Dort ruft man: „Prosit Neujahr! Prost!“
Zu zwölfen sind sie, der Apostel Schar,
Und mit Champagner taufen sie das Jahr,
Umstellt vom Sturm, der auf den Dächern tost.

Armleuchter flacken. Dampf von heißem Punsch.
Der Hitze Salven krachen vom Kamin.
Geruch der Weiber — Trimethylamin,
Die Bäuche schwitzen in der großen Brunst.

Jetzt stehn sie auf. Das Stühlerücken schurrt.
Der Tod im Flur ist nicht gewohnt die Speisen.
Er hebt den Kopf gegen das kalte Eisen
Der Schlüsseltülle, schnuppert gierig, knurrt.

Kommt jemand? Still. Er hupft unter die Treppe.
An einem Fräulein zerrt ein Kavalier.
Der Tod schleicht hinterher, ein fletschend Tier
Aus Mond; das trägt der Dame Schleppe.

Sie kommen an die Gruft —: „Hier sind wir sicher!“
— „Ich fürchte mich, oh, sind die Bäume groß!“
Der Tod schupst sie — kein Schrei, sie quieken bloß —
Und läuft hinweg mit heftigem Gekicher. — —

Es dämmert endlich. Mit Blutaugen stiert
Der Morgen hin. Im Saal zappelt ein Märchen.
Der Tod wühlt in den fetten, welken Pärchen,
Frißt sie wie Trüffeln, die ein Schwein aufspürt.

 

Paul Boldt poetry
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Paul Boldt: 3 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

LIEBESMORGEN

Aus dem roten, roten Pfühl

Kriecht die Sonne auf die Dielen,

Und wir blinzeln nur und schielen

Nach uns, voller Lichtgefühl.

Wie die Rosa-Pelikane,

Einen hellen Fisch umkrallend,

Rissen unsere Lippen lallend

Kuß um Kuß vom weißen Zahne.

Und nun, eingerauscht ins weiche

Nachgefühl der starken Küsse,

Liegen wir wie junge Flüsse

Eng umsonnt in einem Teiche.

Und wir lächeln gleich Verzückten;

Lachen gibt der Garten wieder,

Wo die jungen Mädchen Flieder,

Volle Fäuste Flieder pflückten.

 

MEIN FEBRUARHERZ

Als trügen Frauen in den Straußenfedern

Das junge Licht wie eine weiße Fahne,

Gehörten alle Häuser reichen Reedern

Und wären Schiffe, schwimmt um die Altane

Die blaue Luft! Oh, jetzt in einem Kahne

Auf Wassern fahren, süßen Morgennebeln

Entgegensteuern, gleich dem leisen Schwane

Die Wellen teilend mit den schwarzen Hebeln!

Geh in die Leipzigerstraße! Geh ins Freie!

Schön ist die Wollust! Gott ein guter Junge.

Die Dirnen sommern brünstiger als Haie!

Ich habe Geld! Ich bin so schön im Schwunge.

Sonette aus Sonne kitzeln mir die Zunge!

In meiner Kehle sammeln sich die Schreie!

 

ABENDAVENUE

Die Straße ist von Klängen überstrahlt,

Bewachsen von Phantasmen des Geruches,

Und Hüften in den Hülsen blauen Tuches,

Das aller Schritt zu Reiz zermalmt und mahlt.

Die Dirnen kommen, knarrend, Wollustfuder,

Und Bürgermädchen, die mit Reizen knausern;

Jungfräulein die, und andern, die schon mausern,

Gleitet ein Scharlachlächeln in den Puder.

Teufel! Wir werden wie die Pelikane

– Wenn diese Mädchen uns mit Blicken füttern,

Gierig nach den Konturen und Profilen,

Die alle kommen, einzeln, momentane,

Und aus den fetten Rücken, aus den Müttern,

Bisweilen leise nach uns Jungen schielen.

 

Paul Boldt poetry

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Paul Boldt: FRIEDRICHSTRASSENKROKI 3 UHR 20 NACHTS

Paul Boldt

(1885-1921)

 

FRIEDRICHSTRASSENKROKI

3 UHR 20 NACHTS

Die Friedrichstraße trägt auf Stein

Die blassen Gewässer des Lichtes

Die Dirnen umstehn mit Hirschgeweihn

Die Circe meines Gesichtes.

Ich schaue: – Der Träume Phosphor rinnt

In zwei, vier Menschenaugen neu.

Wie eine Katze springt, gefleckt, der Wind

Zwischen des Asphalts Lichterstreu

Und trägt den fetten, weißen Rauch

Im Maul den jungen Winden ins Nest.

Er faßt die Dirnen an den Bauch

Und klemmt die dünnen Röcke fest.

– Da sind Gesichter, lachen nett,

Daß alle Zähne blecken müssen;

Die Louis zeigen ihr Skelett,

Louise läßt mich ihres küssen.

 

Paul Boldt poetry

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photo Anton K. 2009

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Paul Boldt: 2 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

MÄDCHENNACHT

Der Mond ist warm, die Nacht ein Alkohol,

Der rasch erglühend mein Gehirn betrat,

Und deine Nacktheit weht wie der Passat

Trocknend ins Mark.

Du hast ein weißes Fleischkleid angezogen.

Mich hungert so – ich küsse deine Lippen.

Ich reiße dir die Brüste von den Rippen,

Wenn du nicht geil bist!

– Küsse sind Funken, elektrisches Lechzen

Kupferner Lippen, und die Körper knacken!

Mit einem Sprunge sitzt mein Kuß im Nacken

Und frißt dein Bäumen und dein erstes Ächzen.

Und als ich dir die weißen Knie und,

Dein Herz verlangend, allen Körper küßte,

Geriet mein Schröpfkopf unter deine Brüste;

Da drängte sich das Herz an meinen Mund.

 

GUTEN TAG – HELLE EVA!

Ich wollte mit dir jungem Weibe leben

Gern wie der Sturm auf einem hellen Meer,

Daß deine Hände sich wie Möwen heben.

Wie Strudel leuchten deine Brüste sehr.

Dein Fleisch ist Schnee, und schneereich bist du wie

Russische Winter. Mondrot leuchtet, blond,

Dein Haarkorb an des Nackens Horizont –

Du nackend Weib, du weiße Therapie!

Lange behielt ich deine Witterung

Und jagte hitzig hinter Dirnenrudeln,

Lustkrank, von Qual beweht. Doch du bliebst jung.

Auf deinen Rippen kreisen weiße Strudel;

Du bist ein Weib geworden – puh – fruchtbar,

Du blanker Bauch voll Blut und krautigem Haar.

 

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Paul Boldt: Tiergarten


Paul Boldt
(1885-1921)

 

TIERGARTEN

Birken und Linden legen am Kanal

Unausgeruhtes sanft in seinen Spiegel.

Ins Nachtgewölbe rutscht der Mond, ein Igel,

Der Sterne jagt und frißt den Himmel kahl.

Mädchen sind da, und wir sind sehr vergnügt.

Ich schmeiße nach dem dicken Mond mit Steinen;

Die Betty küßt mich, und er soll nicht scheinen,

Weil Bella schweigt und naserümpfend rügt.

Die Sommerstädte liegen um den Park.

Es wird sehr hübsch! Der Süden wandert ein!

Die Sonne wächst! Wie nackte Männer stark

Schreiten die Tage, Frühjahr in den Hüften.

Die schwarzen Linden kommen überein,

Morgen zu grünen in den süßen Lüften!

 

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Paul Boldt: Der Dichter

Paul Boldt

(1885-1921)

 

DER DICHTER

 

Die Antlitzlast auf seinen Schädelknochen,

Wie ein Museum, und die Schmerzen hängen

In großen Augen, blicklos und gebrochen,

Und in dem Mund, verzerrt von den Gesängen.

Es kommt heraus, Dunkles des Blutes, quillt.

Er wird wahnsinnig aus Liebhaberei.

Sein Mund geht lüstern auf. Er lächelt wild.

Hinter die Zähne bergend seinen Schrei.

 

Paul Boldt poetry

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Paul Boldt: 3 Gedichte

Paul Boldt
(1885-1921)

 

IMPRESSION DU SOIR

Des Abends schwarze Wolkenvögel flogen
Im Osten auf vom Fluß der Horizonte.
Gärten vertropft in Nacht, die, als es sonnte,
Wie See grünten und den Wind einsogen.

Einsame Pappeln pressen ihre Schreie
Angst vor den Stürmen in die blonde Stille.
Schon saugen schwarze Munde Atem. — Schrille
Fabrikenpfiffe. Menschen ziehn ins Freie.

Ein rotes Mohnfeld mit den schwarzen Köpfen,
Ragen die Schlote, einsam, krank und kahl.
Die Wolkenvögel, Eiter an den Kröpfen,

Wie Pelikane flattern sie zum Mahl.
Und als die Horizonte Dunkel schöpfen,
Wirft sich der Blitz heraus, der blanke Aal.

 

DER SCHNELLZUG

Es sprang am Walde auf in panischem Schrecke,
Die gelben Augen in die Nacht geschlagen. —
Die Weiche lärmt vom Hammerschlag der Wagen
Voll blanken Lärms, indes sie fern schon jagen

Im blinden Walde lauert an der Strecke
Die Kurve wach. Es schwanken die Verdecke.
Wie Schneesturm rennt der D-Zug durch die Ecke,
Und tänzelnd wiegen sich die schweren Wagen.

Der Nebel liegt, ein Lava, auf den Städten
Und färbt den Herbsttag grün. Auf weiter Reise
Wandert der Zug entlang den Kupferdrähten.

Der Führer fühlt den Schlag der Triebradkreise
Hinter dem Sternenkopfe des Kometen,
Der zischend hinfällt über das Geleise.

 

DAS GESPENST

Wie weiß der Sommer ist! Wie Menschenlachen,
Das alle Tage in der Stadt verschwenden.
Häuserspaliere wachsen hoch zu Wänden
Und Wolkenfelsen, die mich kleiner machen.

In tausend Straßen liege ich begraben.
Ich folge dir stets ohne mich zu wenden.
O hielte ich dein Antlitz in den Händen,
Das meine kranke Augen vor sich haben.

Ich küßte es. Es küßte mich im Bette —:

— Versprich, daß du mich morgen nicht mehr kennst!
— Bist du nachts fleischern und ein Taggespenst?
— Du locktest es ins Netz deiner Sonette.
— Junger Polyp, dein Mund ist eine Klette.
— Er wird dich beißen, wenn du ihn so nennst.

 

Paul Boldt poetry
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photo anton k.

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Paul Boldt gedicht: Prosperpina

Paul Boldt
(1885-1921)

 

PROSERPINA

Einsamer Pluto trage ich im Blute

Proserpina, nackend, mit blonden Haaren.

Unauslöschbar. Ich will mich mit ihr paaren,

Die ich in allem hellen Weib vermute.

Ich bin von ihren Armen lichtgefleckt

Im Rücken! Ihre Knie sind nervös,

Die Schenkel weiß, fleischsträhnig, ein Erlös

Des weißen Tages, der die Erde deckt.

In ihrem Haar bleibt etwas vom Verwehten

Des warmen Bluts. Ich liebe den Geruch!

Und nur die Zähne haben zuviel Fades,

Wie Schulmädchen, sooft sie in den Bruch,

Den Brunnen ihres Frauenmundes treten,

Der meine Brünste tränkt – Herden des Hades.

 

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