Christian Morgenstern Gedichte
C h r i s t i a n M o r g e n s t e r n
(1871-1914)
(an einige)
Ihr kennt den Trost, der enttrübt,
die fern den Schranken:–
Werden draußen Taten geübt,
entsenden sie–Gedanken.
(an manche)
Ihr kennt es, das harte Leid,
heißt es entsagen,
mitzuwirken im Sturm der Zeit
zu neuem Gottestagen.
(an viele)
Ihr kennt sie, die Leidenschaft,
die uns verbindet:
Helfen, helfen, mit einer Kraft,
die alles überwindet.
Der Kranke
Oft zu sterben wünscht ich mir …
Und wie dankbar bin ich doch,
daß ich leb und leide noch
im gesetzten Nun und Hier.
Bleibt mir doch damit noch Zeit,
abzubauen manch Gebrest,
komm ich nimmer auch zum Rest,
werd ich besser doch bereit.
Wenn ich jetzt nichtwirken kann,
helf ich also doch dem Mir,
das dereinst nach Nun und Hier
wirken wird im Dort und Dann.’
Du hast die Hand schon am Portal
Du hast die Hand schon am Portal
und tastest nach der Klinke Hand
(denn noch erhellt sie dir kein Strahl).
Du wirst erst wach, wenn sie sie fand,
sei’s dieses, sei’s das nächste Mal;–
dann wirst du weiß stehn wie die Wand,
davor du lange dumpf geirrt;
und wie ein Leichnam hinfällt, wird
dein Leib hinfallen in den Sand.
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