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Untergang
(an Karl Borromäus Heinrich)
Über den weißen Weiher
Sind die wilden Vögel fortgezogen.
Am Abend weht von unseren Sternen ein eisiger Wind.
Über unsere Gräber
Beugt sich die zerbrochene Stirne der Nacht.
Unter Palmen schaukeln wir auf einem silbernen Kahn.
Immer klingen die weißen Mauern der Stadt.
Unter Dornenbogen
O mein Bruder klimmen wir blinde Zeiger gen Mitternacht.
Georg Trakl
(1887 – 1914)
Untergang, 1913
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Auch hundert Jahre nach seinem Tod ein Geheimnis: Georg Trakl. Rüdiger Görner geht dem Mythos nach.
Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs starb Georg Trakl in einem Militärspital an einer Überdosis Kokain. Ob der im Krieg traumatisierte Dichter Selbstmord beging, ist eines der Rätsel, die sein Leben und Werk umgeben.
Rüdiger Görner gelingt es, sich den biographischen Brüchen und Details über das Werk anzunähern. Er geht in der Auseinandersetzung mit den Gedichten der Todessehnsucht Trakls, der mehr als innigen Beziehung zu Schwester Margarethe und dem Aufwachsen in Salzburg nach. Und kommt zu faszinierenden Schlüssen: Dass sich die Extreme der Zeit – die Beschleunigung der Lebensverhältnisse, ihre rücksichtslose Technisierung – im Werk des Dichters nur bedingt spiegeln. Und dass die Gedichte – Trakls Ruhelosigkeit zum Trotz – oft geradezu ausgeruht klingen.
Rüdiger Görner, geboren 1957 in Rottweil, ist Professor für Neuere Deutsche und vergleichende Literatur an der Queen Mary University of London. Gründer des Ingeborg Bachmann Centre for Austrian Literature und Gründungsdirektor des Centre for Anglo-German Cultural Relations. Träger des Deutschen Sprachpreises, des Reimar Lüstpreises der Alexander von Humboldt-Stiftung und des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Bei Zsolnay erschienen Rainer Maria Rilke. Im Herzwerk der Sprache (2004), Georg Trakl. Dichter im Jahrzehnt der Extreme (2014) und Oskar Kokoschka. Jahrhundertkünstler (2018).
Rüdiger Görner:
Georg Trakl.
Dichter im Jahrzehnt der Extreme
Deutscher Sprache
Fester Einband
352 Seiten
Zsolnay / Deuticke
Carl Hanser Verlag, München
ISBN 978-3-552-05697-8
2014
€ 24,90
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Georg Trakl
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Georg Trakl
(1887 – 1914)
Grodek
Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düster hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt,
Das vergossne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre,
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.
Georg Trakl poetry
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