Hans Leybold: Konfusion – Ein Film
Hans Leybold
(1892-1914)
Konfusion – Ein Film
Plötzlich sprangen in den Straßen Gräber auf wie Erbsenschoten,
und jämmerliche Wesen wälzten sich heraus, die drohten
mit ihren blassgebleichten Knochen ihren Ururenkeln:
Die stoben fort und auseinander, als brennte es in ihren Schenkeln,
Pest oder Cholera im Bauch oder Jüngster Tag am Ende
(man muss doch sehn, ob man Rettung fände,
man hat sein kleines Leben lieb; die Hände,
die sich über alles strecken – –
wer weiß, ob man schlauer ist, versucht, sich zu verstecken).
Sie hopsen, springen ängstlich über Straßenbahngeleise
sie tanzen durcheinander: jeder in seiner Weise,
der eine verkriecht sich im Lokus, um sich zu retten,
der verwälzt sich tief in seine Betten,
viele fallen über die Geländer hoher Brücken,
fallen in hochgeschwollene Ströme, müssen in großen Schlücken
gelbes Wasser saufen, andere aber drücken
voll Furcht vor Unbekanntem sich an ihre Weiber.
Auf einmal greift eine unmäßig große Hand vom Himmel,
schiebt sich langsam durch chaotische Gewimmel,
plättet die Straßen als wären sie Wäsche,
greift aus dem Gewühl sich ein paar besonders fesche
Kokotten und Kavaliere, ein paar dicke Kommerzienräte,
stört in den diversen Salons die Abschiedsfete,
stürzt Börse und Kirche und Rathaus um, als mähte
sie Gras … hebt sich, verschwindet … nichts ist passiert.
Ein Gentleman sieht nach, außerordentlich blasiert.
Hans Leybold poetry
fleursdumal.nl magazine
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