Sibylla Schwarz: Am liebsten bey der Liebsten
Sibylla Schwarz
Am liebsten bey der Liebsten
(Zu Upatell, auff der Insel Riga gemacht)
Schawt doch, wie lustig Leben
das auff den Dörffern ist?
Ich will die Stadt wohl geben
dem, der sie außerkießt.
Schawt, wie die Bluhmen stehen,
wie lieblich sie doch sind,
und fast im Haus auffgehen,
schawt, wie man Obst hier findt.
Hört, hört doch einmahl singen
die lieben Vögelein,
last ewre Laut erklingen,
und stimmet mit ihn ein.
Fühlt ihr der Sonnen Strahlen
in ewern Häusern nicht?
hier läst sie auff uns fallen
fast doppelt heisses Licht.
Schmeckt kecklich diese Früchte,
die hier beyn Bauren seyn etc.
Seht, wie die Kühe weiden!
und auch der Schaffen Schar,
ich will die Stadt wohl meiden,
so bin ich auß Gefahr.
So schreckt mich die Posaune,
das Spiel der Schwerdter nicht,
die grausame Kartaune
kompt nie mir ins Gesicht.
Ja, alles was ich finde
in Dörffern weit und breit,
der Hirsch, das Schaff, das Rinde,
der Wälder Zierligkeit,
Das ist weit vohrzuziehen
den Sachen in der Stadt,
da man sich muß bemühen
und wirds doch niemahl satt.
Was sag ich? Nach dem allen
frag ich nicht sonders vihl;
mir soll die Stadt gefallen,
dieweil ich gerne will
Die Lust im Grünen lassen,
mein Lieb, mein eigen Ich
ist hier nicht ümbzufassen,
die ich lieb inniglich.
Ist hier auff grühner Awen,
und bey der Schaffen Schaar
kein einig mahl zu schawen,
drümb hat eß hier Gefahr.
Ich will die Stadt nicht meiden,
Ich hab sie außerkiest;
kanst du dein Lieb nicht leiden,
so sey nicht, wo sie ist.
Sibylla Schwarz (1621 – 1638)
Gedicht: Am liebsten bey der Liebsten
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