Friedrich Hölderlin Gedichte
Friedrich Hölderlin
(1784-1843)
Dichterberuf
Des Ganges Ufer hörten des Freudengotts
Triumph, als allerobernd vom Indus her
Der junge Bacchus kam mit heilgem
Weine vom Schlafe die Völker weckend.
Und du, des Tages Engel! erweckst sie nicht,
Die jetzt noch schlafen? gib die Gesetze, gib
Uns Leben, siege, Meister, du nur
Hast der Eroberung Recht, wie Bacchus.
Nicht, was wohl sonst des Menschen Geschick und Sorg’
Im Haus und unter offenem Himmel ist,
Wenn edler, denn das Wild, der Mann sich
Wehret und nährt! denn es gilt ein anders,
Zu Sorg’ und Dienst den Dichtenden anvertraut!
Der Höchste, der ists, dem wir geeignet sind
Daß näher, immerneu besungen
Ihn die befreundete Brust vernehme.
Und dennoch, o ihr Himmlischen all und all
Ihr Quellen und ihr Ufer und Hain’ und Höhn
Wo wunderbar zuerst, als du die
Locken ergriffen, und unvergeßlich
Der unverhoffte Genius über uns
Der schöpferische, göttliche kam, daß stumm
Der Sinn uns ward und, wie vom
Strahle gerührt das Gebein erbebte,
Ihr ruhelosen Taten in weiter Welt!
Ihr Schicksalstag’, ihr reißenden, wenn der Gott
Stillsinnend lenkt, wohin zorntrunken
Ihn die gigantischen Rosse bringen,
Euch sollten wir verschweigen, und wenn in uns
Vom stetigstillen Jahre der Wohllaut tönt
So sollt’ es klingen, gleich als hätte
Mutig und müßig ein Kind des Meisters
Geweihte, reine Saiten im Scherz gerührt?
Und darum hast du, Dichter! des Orients
Propheten und den Griechensang und
Neulich die Donner gehört, damit du
Den Geist zu Diensten brauchst und die Gegenwart
Des Guten übereilest, in Spott, und den Albernen
Verleugnest, herzlos, und zum Spiele
Feil, wie gefangenes Wild, ihn treibest.
Bis aufgereizt vom Stachel im Grimme der
Des Ursprungs sich erinnert und ruft, daß selbst
Der Meister kommt, dann unter heißen
Todesgeschossen entseelt dich lässet.
Zu lang ist alles Göttliche dienstbar schon
Und alle Himmelskräfte verscherzt, verbraucht
Die Gütigen, zur Lust, danklos, ein
Schlaues Geschlecht und zu kennen wähnt es
Wenn ihnen der Erhabne den Acker baut
Das Tagslicht und den Donnerer, und es späht
Das Sehrohr wohl sie all und zählt und
Nennet mit Namen des Himmels Sterne
Der Vater aber decket mit heilger Nacht,
Damit wir bleiben mögen, die Augen zu.
Nicht liebt er Wildes! doch es zwinget
Nimmer die weite Gewalt den Himmel.
Noch ists auch gut, zu weise zu sein. Ihn kennt
Der Dank. Doch nicht behält er es leicht allein,
Und gern gesellt, damit verstehn sie
Helfen, zu anderen sich ein Dichter.
Furchtlos bleibt aber, so er es muß, der Mann
Einsam vor Gott, es schützet die Einfalt ihn,
Und keiner Waffen brauchts und keiner
Listen, so lange, bis Gottes Fehl hilft.
Dichtermut
Sind denn dir nicht verwandt alle Lebendigen,
Nährt die Parze denn nicht selber im Dienste dich?
Drum, so wandle nur wehrlos
Fort durchs Leben, und fürchte nichts!
Was geschiehet, es sei alles gesegnet dir,
Sei zur Freude gewandt! oder was könnte denn
Dich beleidigen, Herz! was
Da begegnen, wohin du sollst?
Denn, seitdem der Gesang sterblichen Lippen sich
Friedenatmend entwand, frommend in Leid und Glück
Unsre Weise der Menschen
Herz erfreute, so waren auch
Wir, die Sänger des Volks, gerne bei Lebenden
Wo sich vieles geselle, freudig und jedem hold,
Jedem offen; so ist ja
Unser Ahne, der Sonnengott,
Der den fröhlichen Tag Armen und Reichen gönnt,
Der in flüchtiger Zeit uns, die Vergänglichen,
Aufgerichtet an goldnen
Gängelbanden, wie Kinder, hält.
Ihn erwartet, auch ihn nimmt, wo die Stunde kömmt,
Seine purpurne Flut; sieh! und das edle Licht
Gehet, kundig des Wandels,
Gleichgesinnet hinab den Pfad.
So vergehe denn auch, wenn es die Zeit einst ist
Und dem Geiste sein Recht nirgend gebracht, so sterb’
Einst im Ernste des Lebens
Unsre Freude, doch schönen Tod!
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