In this category:

    FICTION & NON-FICTION - books, booklovers, lit. history, biography, essays, translations, short stories, columns, literature: celtic, beat, travesty, war, dada & de stijl, drugs, dead poets
    BOOKS
    Franz Kafka
    FLEURSDUMAL POETRY LIBRARY - classic, modern, experimental & visual & sound poetry, poetry in translation, city poets, poetry archive, pre-raphaelites, editor's choice, etc.
    CLASSIC POETRY
    Kafka, Franz
    FICTION & NON-FICTION - books, booklovers, lit. history, biography, essays, translations, short stories, columns, literature: celtic, beat, travesty, war, dada & de stijl, drugs, dead poets
    FICTION: SHORT STORIES
    Kafka, Franz

New on FdM

  1. ‘Il y a’ poème par Guillaume Apollinaire
  2. Eugene Field: At the Door
  3. J.H. Leopold: Ik ben een zwerver overal
  4. My window pane is broken by Lesbia Harford
  5. Van Gogh: Poets and Lovers in The National Gallery London
  6. Eugene Field: The Advertiser
  7. CROSSING BORDER – International Literature & Music Festival The Hague
  8. Expositie Adya en Otto van Rees in het Stedelijk Museum Schiedam
  9. Machinist’s Song by Lesbia Harford
  10. “Art says things that history cannot”: Beatriz González in De Pont Museum

Or see the index

All categories

  1. AFRICAN AMERICAN LITERATURE (12)
  2. AUDIO, CINEMA, RADIO & TV (217)
  3. DANCE & PERFORMANCE (60)
  4. DICTIONARY OF IDEAS (180)
  5. EXHIBITION – art, art history, photos, paintings, drawings, sculpture, ready-mades, video, performing arts, collages, gallery, etc. (1,515)
  6. FICTION & NON-FICTION – books, booklovers, lit. history, biography, essays, translations, short stories, columns, literature: celtic, beat, travesty, war, dada & de stijl, drugs, dead poets (3,863)
  7. FLEURSDUMAL POETRY LIBRARY – classic, modern, experimental & visual & sound poetry, poetry in translation, city poets, poetry archive, pre-raphaelites, editor's choice, etc. (4,774)
  8. LITERARY NEWS & EVENTS – art & literature news, in memoriam, festivals, city-poets, writers in Residence (1,615)
  9. MONTAIGNE (110)
  10. MUSEUM OF LOST CONCEPTS – invisible poetry, conceptual writing, spurensicherung (54)
  11. MUSEUM OF NATURAL HISTORY – department of ravens & crows, birds of prey, riding a zebra, spring, summer, autumn, winter (184)
  12. MUSEUM OF PUBLIC PROTEST (143)
  13. MUSIC (222)
  14. NATIVE AMERICAN LIBRARY (4)
  15. PRESS & PUBLISHING (91)
  16. REPRESSION OF WRITERS, JOURNALISTS & ARTISTS (112)
  17. STORY ARCHIVE – olv van de veestraat, reading room, tales for fellow citizens (17)
  18. STREET POETRY (46)
  19. THEATRE (186)
  20. TOMBEAU DE LA JEUNESSE – early death: writers, poets & artists who died young (356)
  21. ULTIMATE LIBRARY – danse macabre, ex libris, grimm & co, fairy tales, art of reading, tales of mystery & imagination, sherlock holmes theatre, erotic poetry, ideal women (229)
  22. WAR & PEACE (127)
  23. WESTERN FICTION & NON-FICTION (22)
  24. · (2)

Or see the index



  1. Subscribe to new material: RSS

Franz Kafka: Entlarvung eines Bauernfängers

Entlarvung eines Bauernfängers

 

Franz Kafka (1883-1924)

 

Endlich gegen 10 Uhr abends kam ich mit einem mir von früher her nur flüchtig bekannten Mann, der sich mir diesmal unversehens wieder angeschlossen und mich zwei Stunden lang in den Gassen herumgezogen hatte, vor dem herrschaftlichen Hause an, in das ich zu einer Gesellschaft geladen war.

»So!« sagte ich und klatschte in die Hände zum Zeichen der unbedingten Notwendigkeit des Abschieds. Weniger bestimmte Versuche hatte ich schon einige gemacht. Ich war schon ganz müde.

»Gehn Sie gleich hinauf?« fragte er. In seinem Munde hörte ich ein Geräusch wie vom Aneinanderschlagen der Zähne.

»Ja.«

Ich war doch eingeladen, ich hatte es ihm gleich gesagt. Aber ich war eingeladen, hinaufzukommen, wo ich schon so gerne gewesen wäre, und nicht hier unten vor dem Tor zu stehn und an den Ohren meines Gegenübers vorüberzuschauen. Und jetzt noch mit ihm stumm zu werden, als seien wir zu einem langen Aufenthalt auf diesem Fleck entschlossen. Dabei nahmen an diesem Schweigen gleich die Häuser rings herum ihren Anteil, und das Dunkel über ihnen bis zu den Sternen. Und die Schritte unsichtbarer Spaziergänger, deren Wege zu erraten man nicht Lust hatte, der Wind, der immer wieder an die gegenüberliegende Straßenseite sich drückte, ein Grammophon, das gegen die geschlossenen Fenster irgendeines Zimmers sang, — sie ließen aus diesem Schweigen sich hören, als sei es ihr Eigentum seit jeher und für immer.

Und mein Begleiter fügte sich in seinem und — nach einem Lächeln — auch in meinem Namen, streckte die Mauer entlang den rechten Arm aufwärts und lehnte sein Gesicht, die Augen schließend, an ihn.

Doch dieses Lächeln sah ich nicht mehr ganz zu Ende, denn Scham drehte mich plötzlich herum. Erst an diesem Lächeln also hatte ich erkannt, daß das ein Bauernfänger war, nichts weiter. Und ich war doch schon Monate lang in dieser Stadt, hatte geglaubt, diese Bauernfänger durch und durch zu kennen, wie sie bei Nacht aus Seitenstraßen, die Hände vorgestreckt, wie Gastwirte uns entgegentreten, wie sie sich um die Anschlagsäule, bei der wir stehen, herumdrücken, wie zum Versteckenspielen und hinter der Säulenrundung hervor zumindest mit einem Auge spionieren, wie sie in Straßenkreuzungen, wenn wir ängstlich werden, auf einmal vor uns schweben auf der Kante unseres Trottoirs! Ich verstand sie doch so gut, sie waren ja meine ersten städtischen Bekannten in den kleinen Wirtshäusern gewesen, und ich verdankte ihnen den ersten Anblick einer Unnachgiebigkeit, die ich mir jetzt so wenig von der Erde wegdenken konnte, daß ich sie schon in mir zu fühlen begann. Wie standen sie einem noch gegenüber, selbst wenn man ihnen schon längst entlaufen war, wenn es also längst nichts mehr zu fangen gab! Wie setzten sie sich nicht, wie fielen sie nicht hin, sondern sahen einen mit Blicken an, die noch immer, wenn auch nur aus der Ferne, überzeugten! Und ihre Mittel waren stets die gleichen: Sie stellten sich vor uns hin, so breit sie konnten; suchten uns abzuhalten von dort, wohin wir strebten; bereiteten uns zum Ersatz eine Wohnung in ihrer eigenen Brust, und bäumte sich endlich das gesammelte Gefühl in uns auf, nahmen sie es als Umarmung, in die sie sich warfen, das Gesicht voran.

Und diese alten Späße hatte ich diesmal erst nach so langem Beisammensein erkannt. Ich zerrieb mir die Fingerspitzen an einander, um die Schande ungeschehen zu machen.

Mein Mann aber lehnte hier noch wie früher, hielt sich noch immer für einen Bauernfänger, und die Zufriedenheit mit seinem Schicksal rötete ihm die freie Wange.

»Erkannt!« sagte ich und klopfte ihm noch leicht auf die Schulter.

Dann eilte ich die Treppe hinauf und die so grundlos treuen Gesichter der Dienerschaft oben im Vorzimmer freuten mich wie eine schöne Überraschung. Ich sah sie alle der Reihe nach an, während man mir den Mantel abnahm und die Stiefel abstaubte. Aufatmend und langgestreckt betrat ich dann den Saal.



Franz Kafka: Betrachtung 1913 – Für M.B.

 

fleursdumal.nl magazine 

More in: Franz Kafka, Kafka, Franz, Kafka, Franz

Previous and Next Entry

« | »

Thank you for reading Fleurs du Mal - magazine for art & literature