Sibylla SCHWARZ: Ohne die Liebste ist keine Freude
Sibylla Schwarz
Ohne die Liebste ist keine Freude
Kan die Welt auch wohl bestehen
ohn der Sonnen klahres Liecht?
kan man in der Nacht auch sehen,
wenn da Stern und Mond gebricht?
kan ein Schiffman auch wohl lachen
wenn sein Schiff begündt zu krachen?
Eben wenig kan ich leben,
wenn mir meine Dorile,
nicht ihr klares Liecht wil geben;
Eben wenig ich besteh,
wenn sie nicht mein Schiff regieret,
und durch ihre Freundschafft führet.
Springt ein Rehbock bey der Mutter,
mehr nicht, als er sonsten tuht?
hat ein Pferd bey vollem Futter,
auch nicht einen frischen Muht?
Also kan ich besser leben,
wenn ihr Liecht mir wird gegeben.
Zweyen Herzen, die sich lieben,
ist die allerhöchste Pein,
und das grösseste Betrüben,
wenn sie nicht zusammen sein,
weil sie sonsten nichts gedencken,
alß nur Arm in Arm zu schrenken.
Wie die Ulmen üm den Reben
gleichsam als verliebt sich drehn:
Also wündsch ich auch, mein Leben,
bey dir umgefast zu stehn,
und dir etwas vor zusagen
von den süssen Liebes=Plagen.
Darüm wil ich mich bemühen
auff mein Fretow hinzuziehn,
und mein Leben selbst nicht fliehen,
weil ich sonst erstorben bin,
alß denn wird sie mich erfreuen,
und mir meinen Geist verneuen.
Darüm wil ich gerne lassen
der Tollense Liebligkeit,
wil mein Leben selbst nicht hassen,
weil es nuhr erlaubt die Zeit;
weg mit disen schlechten Auen,
ich wil bald mein Fretow schauen.
Sibylla Schwarz (1621 – 1638)
Gedicht: Ohne die Liebste ist keine Freude
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