Sibylla SCHWARZ: Auß dem Lied vohn der beständigen Liebe
Sibylla Schwarz
Auß dem Lied vohn der beständigen Liebe
Wol dem, der also ist verliebet,
daß seine Liebe nimmer weicht!
Wer sich der Wanckelmuht ergiebet,
der ist eß, der dem Mond sich gleicht.
Der Neidt, der sonst die Liebe bricht,
der bricht doch meine Liebe nicht.
Soll mich dan nuhn der Neidt betrügen,
mich der kein Tod abschrecken kan?
soll mich die Welt mit ihrem Liegen
izt führen eine frembde Bahn?
Der Neidt, der sonst die Liebe bricht,
der bricht doch meine Liebe nicht.
Das ist eß, das wir armen klagen:
Wan einer sich ein Ziel erkießt,
so bald wil ihn der Neidt verjagen,
der aller Liebe Schewsahl ist:
Der Neid der sonst die Liebe bricht,
der bricht doch meine Liebe nicht.
Will nuhn der Neid das Brodt mir nehmen,
und denckt mich damit abzuziehn,
was will ich mich doch darümb grähmen,
die Lieb ernehrt mich immer hin;
Der Neidt der sonst die Liebe bricht,
der bricht doch meine Liebe nicht.
Will mich der Neidt in grünen Zeiten,
da meine Jugend Blumen trägt,
schon in Verzweiflungs Banden leiten,
eh ich mit Reiff und Schnee bedeckt?
Der Neidt, der sonst die Liebe bricht,
der bricht doch meine Liebe nicht.
Bin ich der ärmste zwahr im Lande,
bin ich zwahr der, dem Geld gebricht,
so nehm ich Armuht für die Schande,
die Armuht tuht der Liebe nicht:
der Neid, der sonst die Liebe bricht,
der bricht doch meine Liebe nicht.
Wan mir nuhr gibt mein Liecht, mein Leben
die Hand voll Lieb und trewer Gunst,
wil ich doch nicht dis kleine geben
ümb aller Welt Gelt, Guht und Kunst:
der Neidt, der sonst die Liebe bricht,
der bricht doch meine Liebe nicht.
Hiemit wil ich die Seuffzer enden;
Gelück, ich geb dir guhte Nacht
du magst dich links und rechts ümbwenden,
Ich bin der, der des Glückes lacht,
und vohn der Liebe lass ich nicht,
biß daß der Tod sie selber bricht.
Sibylla Schwarz (1621 – 1638)
Gedicht: Auß dem Lied vohn der beständigen Liebe
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