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Joseph Freiherr von Eichendorff: Der Gefangene

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Joseph Freiherr von Eichendorff

(1788-1857)

 

Der Gefangene

 

In goldner Morgenstunde,

Weil alles freudig stand,

Da ritt im heitern Grunde

Ein Ritter über Land.

Rings sangen auf das beste

Die Vöglein mannigfalt,

Es schüttelte die Äste

Vor Lust der grüne Wald,

 

Den Nacken, stolz gebogen,

Klopft er dem Rösselein –

So ist er hingezogen

Tief in den Wald hinein.

 

Sein Roß hat er getrieben,

Ihn trieb der frische Mut:

»Ist alles fern geblieben,

So ist mir wohl und gut!«

 

Mit Freuden mußt er sehen

Im Wald ein grüne Au,

Wo Brünnlein kühle gehen,

Von Blumen rot und blau.

 

Vom Roß ist er gesprungen,

Legt’ sich zum kühlen Bach,

Die Wellen lieblich klungen,

Das ganze Herz zog nach.

 

So grüne war der Rasen,

Es rauschte Bach und Baum,

Sein Roß tät stille grasen,

Und alles wie ein Traum.

 

Die Wolken sah er gehen,

Die schifften immer zu,

Er konnt nicht widerstehen, –

Die Augen sanken ihm zu.

 

Nun hört er Stimmen rinnen,

Als wie der Liebsten Gruß,

Er konnt sich nicht besinnen –

Bis ihn erweckt’ ein Kuß.

 

Wie prächtig glänzt’ die Aue!

Wie Gold der Quell nun floß,

Und einer süßen Fraue

Lag er im weichen Schoß.

 

»Herr Ritter! Wollt Ihr wohnen

Bei mir im grünen Haus:

Aus allen Blumenkronen

Wind ich Euch einen Strauß!

 

Der Wald ringsum wird wachen,

Wie wir beisammen sein,

Der Kuckuck schelmisch lachen,

Und alles fröhlich sein.«

 

Es bog ihr Angesichte

Auf ihn, den süßen Leib,

Schaut’ mit den Augen lichte

Das wunderschöne Weib.

 

Sie nahm sein’n Helm herunter,

Löst’ Krause ihm und Bund,

Spielt’ mit den Locken munter,

Küßt’ ihm den roten Mund.

 

Und spielt’ viel süße Spiele

Wohl in geheimer Lust,

Es flog so kühl und schwüle

Ihm um die offne Brust.

 

Um ihn nun tät sie schlagen

Die Arme weich und bloß,

Er konnte nichts mehr sagen,

Sie ließ ihn nicht mehr los.

 

Und diese Au zur Stunde

Ward ein kristallnes Schloß,

Der Bach ein Strom, gewunden

Ringsum, gewaltig floß.

 

Auf diesem Strome gingen

Viel Schiffe wohl vorbei,

Es konnt ihn keines bringen

Aus böser Zauberei.

 

Joseph Freiherr von Eichendorff poetry

kempis.nl poetry magazine

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