Heinrich Heine: Erklaerung
H e i n r i c h H e i n e
(1797-1856)
Erklaerung
Herangedaemmert kam der Abend,
Wilder toste die Flut,
Und ich sass am Strand, und schaute zu
Dem weissen Tanz der Wellen,
Und meine Brust schwoll auf wie das Meer,
Und sehnend ergriff mich ein tiefes Heimweh
Nach dir, du holdes Bild,
Das ueberall mich umschwebt,
Und ueberall mich ruft,
UEberall, ueberall,
Im Sausen des Windes, im Brausen des Meers,
Und im Seufzen der eigenen Brust.
Mit leichtem Rohr schrieb ich in den Sand:
"Agnes, ich liebe dich!"
Doch boese Wellen ergossen sich
UEber das suesse Bekenntnis,
Und loeschten es aus.
Zerbrechliches Rohr, zerstiebender Sand,
Zerfliessende Wellen, euch trau ich nicht mehr!
Der Himmel wird dunkler, mein Herz wird wilder,
Und mit starker Hand, aus Norwegs Waeldern,
Reiss ich die hoechste Tanne,
Und tauche sie ein
In des AEtnas gluehenden Schlund, und mit solcher
Feuergetraenkten Riesenfeder
Schreib ich an die dunkle Himmelsdecke:
"Agnes, ich liebe dich!"
Jedwede Nacht lodert alsdann
Dort oben die ewige Flammenschrift,
Und alle nachwachsende Enkelgeschlechter
Lesenjauchzend die Himmelsworte:
"Agnes, ich liebe dich!"
Heinrich Heine poetry
kempis poetry magazine
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