Heinrich Heine: Gespraech auf der Paderborner Heide
H e i n r i c h H e i n e
(1797-1856)
Gespraech auf der Paderborner Heide
Hoerst du nicht die fernen Toene,
Wie von Brummbass und von Geigen?
Dorten tanzt wohl manche Schoene
Den gefluegelt leichten Reigen.
"Ei, mein Freund, das nenn ich irren,
Von den Geigen hoer ich keine,
Nur die Ferklein hoer ich quirren,
Grunzen nur hoer ich die Schweine."
Hoerst du nicht das Waldhorn blasen?
Jaeger sich des Weidwerks freuen;
Fromme Laemmer seh ich grasen,
Schaefer spielen auf Schalmeien.
"Ei, mein Freund, was du vernommen,
Ist kein Waldhorn, noch Schalmeie;
Nur den Sauhirt seh ich kommen,
Heimwarts treibt er seine Saeue."
Hoerst du nicht das ferne Singen,
Wie von suessen Wettgesaengen?
Englein schlagen mit den Schwingen
Lauten Beifall solchen Klaengen.
"Ei, was dort so huebsch geklungen,
Ist kein Wettgesang, mein Lieber!
Singend treiben Gaensejungen
Ihre Gaenselein vorueber."
Hoerst du nicht die Glocken laeuten,
Wunderlieblich, wunderhelle?
Fromme Kirchengaenger schreiten
Andachtsvoll zur Dorfkapelle.
"Ei, mein Freund, das sind die Schellen
Von den Ochsen, von den Kuehen,
Die nach ihren dunkeln Staellen
Mit gesenktem Kopfe ziehen."
Siehst du nicht den Schleier wehen?
Siehst du nicht das leise Nicken?
Dort seh ich die Liebste stehen,
Feuchte Wehmut in den Blicken.
"Ei, mein Freund, dort seh ich nicken
Nur das Waldweib, nur die Lise;
Blass und hager an den Kruecken
Hinkt sie weiter nach der Wiese."
Nun, mein Freund, so magst du lachen
UEber des Phantasten Frage!
Wirst du auch zur Taeuschung machen,
Was ich fest im Busen trage?
Heinrich Heine poetry
kempis poetry magazine
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