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Ernst Stadler

· Das Gedicht „Bahnhöfe“ von Ernst Stadler · Ernst Stadler: Vorfrühling · Ernst Stadler: Dunkle Fahrt · Ernst Stadler: Aus der Dämmerung · Ernst Stadler: Untergang · Ernst Stadler: Mittag · Ernst Stadler: Ballhaus

Das Gedicht „Bahnhöfe“ von Ernst Stadler

Bahnhöfe

Wenn in den Gewölben abendlich
die blauen Kugelschalen
Aufdämmern, glänzt ihr Licht in die Nacht hinüber
gleich dem Feuer von Signalen.
Wie Lichtoasen ruhen in der stählernen Hut
die geschwungenen Hallen
Und warten. Und dann sind sie
mit einem Mal von Abenteuer überfallen,
Und alle erzne Kraft
ist in ihren riesigen Leib verstaut,
Und der wilde Atem der Maschine, die wie ein Tier
auf der Flucht stille steht und um sich schaut,
Und es ist,
als ob sich das Schicksal vieler hundert Menschen
in ihr erzitterndes Bett ergossen hätte,
Und die Luft ist kriegerisch erfüllt
von den Balladen südlicher Meere
und grüner Küsten und der großen Städte.
Und dann zieht das Wunder weiter.
Und schon ist wieder Stille und Licht
wie ein Sternhimmel aufgegangen,
Aber noch lange halten die aufgeschreckten Wände,
wie Muscheln Meergetön, die verklingende Musik
eines wilden Abenteuers gefangen.

Ernst Stadler
(1883 – 1914)
Bahnhöfe

• fleursdumal.nl magazine

Der Dichter Ernst Stadler,  geb. 1883, wurde 1914 in der ersten Flandernschlacht durch eine Granate getötet. Nachdruck der Originalausgabe aus dem Jahr 1920.

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Ernst Stadler: Vorfrühling

 

Vorfrühling

In dieser Märznacht trat ich spät aus meinem Haus.
Die Straßen waren aufgewühlt von Lenzgeruch und grünem Saatregen.
Winde schlugen an. Durch die verstörte Häusersenkung ging ich weit hinaus
Bis zu dem unbedeckten Wall und spürte: meinem Herzen schwoll ein neuer Takt entgegen.

In jedem Lufthauch war ein junges Werden ausgespannt.
Ich lauschte, wie die starken Wirbel mir im Blute rollten.
Schon dehnte sich bereitet Acker. In den Horizonten eingebrannt
War schon die Bläue hoher Morgenstunden, die ins Weite führen sollten.

Die Schleusen knirschten. Abenteuer brach aus allen Fernen.
Ueberm Kanal, den junge Ausfahrtwinde wellten, wuchsen helle Bahnen,
In deren Licht ich trieb. Schicksal stand wartend in umwehten Sternen.
In meinem Herzen lag ein Stürmen wie von aufgerollten Fahnen.

Ernst Stadler
(1883 – 1914)
Vorfrühling

•fleursdumal.nl magazine

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Ernst Stadler: Dunkle Fahrt

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Dunkle Fahrt

Die alten Brunnen rauschten wie im Traum

durch fernen Hall vertrauter Abendglocken

und flossen weich ins Dunkel· das den Duft

nachtschwüler Gärten· die ich spät durchwandert·

still atmend trug. Nun tut sich dämmernd auf·

vom schwanken Frühlicht hingetürmt· umwölbt

von Felsenstürzen· purpurtiefen Schluchten·

der letzten Fahrten letzte Ruhestatt:

Mit schwarzem Strom die goldig dunkle Trift.

Die kalten Eisenstufen schreit ich leicht

die leise klirrenden ins Tal· daraus

nicht Rückkehr ist. Nun bette mich

in blauen Schatten blütenloses Land·

traumstarre Flut!

 

Schonrührt dein schwerer Hauch

mich schauernd an. Schon überweht ein Glanz

mich Trunknen hell wie einer Gottheit Bild

aus blitzendem Gewölk. Schon trübt und wirrt

des Lebens Spiegel fern sich wie ein Traum·

der flatternd zwischen Tag und Dämmer lischt.

1904

 

Ernst Stadler poetry

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Ernst Stadler: Aus der Dämmerung

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Aus der Dämmerung

In Kapellen mit schrägen Gewölben· zerfallnen Verließen

und Scheiben flammrot wie Mohn und wie Perlen grün

und Marmoraltären über verwitterten Fliesen

sah ich die Nächte wie goldne Gewässer verblühn:

 

der schlaffe Rauch zerstäubt aus geschwungnen Fialen

hing noch wie Nebel schwankend in starrender Luft·

auf Scharlachgewirken die bernsteinschillernden Schalen

schwammen wie Meergrundwunder im bläulichen Duft.

 

In dämmrigen Nischen die alten süßen Madonnen

lächelten müd und wonnig aus goldrundem Schein.

Rieselnde Träume hielten mich rankend umsponnen·

säuselnde Lieder sangen mich selig ein.

 

Des wirbelnden Frühlings leise girrendes Locken·

der Sommernächte Duftrausch weckte mich nicht:

Blaß aus Fernen läuteten weiße Glocken . .

Grün aus Kuppeln sickerte goldiges Licht . .

1904

 

Ernst Stadler poetry

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Ernst Stadler: Untergang

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Untergang

Die kupferrote Sonne im Versinken

Hängt zwischen Höhlen scharf gezackter Zweige

In harter Glut der strahlenlosen Neige,

Die feuchte Luft scheint allen Glanz zu trinken.

Die grauen Wolken, aufgeschwellt von Regen,

Mit langen Schleppen, die am Boden schleifen,

Und lau umströmt von schwachen Lilastreifen,

Ergießen dünnes Licht auf allen Wegen.

Nur in der Bäume enggedrängten Gruppen,

Die steil wie Inseln aus den grünen Matten

Des Parkes steigen, lagern dichtre Schatten,

Hinsinkend von den braunen Hügelkuppen.

 

Ernst Stadler poetry

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Ernst Stadler: Mittag

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Mittag

Der Sommermittag lastet auf den weißen

Terrassen und den schlanken Marmortreppen·

die Gitter und die goldnen Kuppeln gleißen·

leis knirscht der Kies. Vom müden Garten schleppen

 

sich Rosendüfte her· wo längs der Hecken

der schlaffe Wind entschlief in roten Matten·

und geisternd strahlen zwischen Laubverstecken

die Götterbilder über laue Schatten.

 

Die Efeulauben flimmern. Schwäne wiegen

und spiegeln sich in grundlos grünen Weihern·

und große fremde Sonnenfalter fliegen

traumhaft und schillernd zwischen Düfteschleiern.

 1904

 

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Ernst Stadler: Ballhaus

Ernst Stadler

(1883-1914)

 

Ballhaus

Farbe prallt in Farbe wie die Strahlen von Fontänen,

die ihr Feuer ineinanderschießen,

Im Geflitter hochgeraffter Röcke

und dem Bausch der bunten Sommerblusen.

Rings von allen Wänden, hundertfältig

Ausgeteilt, strömt Licht.

Die Flammen, die sich zuckend in den Wirbel gießen,

Stehen, höher, eingesammelt,

in den goldgefaßten Spiegeln, fremd und hinterhältig,

Wie erstarrt und Regung doch in grenzenlose Tiefen

weiterleitend, Leben, abgelöst und fern

und wieder eins und einig mit den Paaren,

Die im Bann der immer gleichen Melodien,

engverschmiegt, mit losgelassnen Gliedern schreitend,

Durcheinanderquirlen: Frauen, die geschminkten

Wangen rot behaucht, mit halb gelösten Haaren,

Taumelnd, nur die Augen ganz im Grund ein

wenig matt, die in das Dunkel leerer Stunden laden,

Während ihre Körper sich im Takt

unkeuscher Gesten ineinanderneigen,

Ernsthaft und voll Andacht:

und sie tanzen, gläubig blickend, die Balladen

Müd gebrannter Herzen, lüstern und verspielt,

und vom Geplärr der Geigen

Wie von einer zähen lauen Flut umschwemmt.

Zuweilen kreischt ein Schrei.

Ein Lachen gellt. Die Schwebe,

In der die Paare, unsichtbar gehalten,

schaukeln, schwankt.

Doch immer, wie in traumhaft irrem Schwung

Schnurrt der Rhythmus weiter

durch den überhitzten Saal …

Daß nur kein Windzug jetzt

die roten Samtportieren hebe,

Hinter denen schon der Morgen wartet,

grau, hager, fahl …

bereit, in kaltem Sprung,

Die Brüstung übergreifend, ins Parkett zu gleiten,

daß die heißgetanzten Reihen jählings stocken,

Traum und Tanz zerbricht,

Und während noch die Walzerweise

sinnlos leiernd weitertönt,

Tag einströmt und die dicke Luft von Schweiß,

Parfum und umgegossnem Wein zerreißt,

und durch das harte Licht,

Fernher rollend, ehern, stark und klar,

das Arbeitslied der großen Stadt

durch plötzlich aufgerissene Fenster dröhnt.

 

Ernst Stadler poetry

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